Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wird die Aktivitäten des Wirtschafts- und Klimaschutzministers Robert Habeck noch genau beobachten.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock wird die Aktivitäten des Wirtschafts- und Klimaschutzministers Robert Habeck noch genau beobachten.
REUTERS/WOLFGANG RATTAY

Noch muss gar nichts entschieden werden. Schließlich sind es bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 noch eineinhalb Jahre. Aber natürlich beschäftigt ein Thema intern jetzt schon die Parteien: Wen stellen wir als Kanzlerkandidatin oder Kanzlerkandidaten auf?

Nun berichtet die "Bild am Sonntag", worüber in Berlin sowieso getuschelt wird: Bei den deutschen Grünen könnte es zu einem Machtkampf kommen. Sowohl Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck als auch Außenministerin Annalena Baerbock wollen ins Rennen gehen.

"Habeck macht mit jedem Auftritt klar, dass er unbedingt Kanzlerkandidat werden will", zitiert die Zeitung einen Partei-Insider. Der sagt zudem: "Auch parteiintern lässt Habeck keine Zweifel daran, dass er sich definitiv zutraut, das Kanzleramt zu holen, Scholz und Merz zu schlagen. Nach dem verstolperten Wahlkampf von Annalena findet Robert, dass er an der Reihe ist."

Nur auf Platz drei

2021 war Baerbock das Zugpferd im Wahlkampf. Habeck hatte schweren Herzens auf die Spitzenkandidatur verzichtet. Eine Zeitlang lief es mit Baerbock auch so gut, dass die Grünen sogar vorübergehend in Umfragen auf Platz eins lagen. Doch letztendlich landeten die Grünen dann am Wahltag nur auf Platz drei, hinter SPD und CDU/CSU. Sie schafften 14,7 Prozent und kamen somit nicht einmal in die Nähe jener 25 Prozent, die ihnen in Umfragen zeitweise ausgewiesen worden waren.

Dort stehen sie derzeit auch – nämlich zwischen 13 und 15 Prozent. Sowohl Habeck als auch Baerbock haben nach zweieinhalb Jahren in der Ampelkoalition viel von ihrer früheren Beliebtheit eingebüßt. Laut Umfrageinstitut Insa ist der beliebteste Grüne nun Agrarminister Cem Özdemir auf Platz acht. Baerbock folgt auf Platz 13, Habeck ist Nummer 15.

Özdemir, so schreibt "Bild am Sonntag", solle im Streitfall um die Kanzlerkandidatur auch zwischen Baerbock und Habeck vermitteln, um eine Mitgliederabstimmung zu verhindern. Dass die Außenministerin noch einmal Ambitionen hat, daran gibt es in Berlin wenig Zweifel.

Ruf nach 5.000 neuen Stellen

Allerdings finden viele Grüne, es wäre zunächst wichtig, in Umfragen wieder besser abzuschneiden. Dazu sollte eigentlich die Umsetzung eines ihrer Prestigeprojekte beitragen: die neue Kindergrundsicherung. Für diese kämpfen die Grünen seit Jahren. Sie soll das Nebenher von verschiedenen staatlichen Leistungen für Kinder- und Jugendliche beenden. Wenn das Gesetz kommt, dann gibt es nur noch eine zentrale Zahlung.

Weniger Bürokratie soll Familien den Zugang zu finanzieller Unterstützung erleichtern. "Das größte sozialpolitische Reformprojekt der Ampel" nennt die zuständige grüne Familienministerin Lisa Paus das Vorhaben. Doch nun ist es ausgerechnet sie selbst, die für Aufregung sorgt.

Kurz nach Ostern hatte Paus in einem Interview mit der "Rheinischen Post" erklärt, es brauche 5.000 neue Behördenstellen, um die Kindergrundsicherung umzusetzen. Denn: "Mit den 5.000 Stellen wollen wir von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates kommen."

Die deutsche Familienministerin Lisa Paus (Grüne) bereitet die Kindergrundsicherung vor.
Die deutsche Familienministerin Lisa Paus (Grüne) bereitet die Kindergrundsicherung vor.
EPA/FILIP SINGER

Das empörte die FDP, die darauf hinwies, dass derlei im Koalitionsvertrag der Ampel nicht vorgesehen und der Entwurf nicht zustimmungsfähig sei. Die Liberalen hatten das Projekt ohnehin von Anfang an mit Argusaugen beobachtet und waren entsetzt gewesen, als Paus dafür zwölf Milliarden Euro zusätzlich forderte. Letztendlich bekam sie von Finanzminister Christian Lindner (FDP) nur 2,4 Milliarden.

Nach Paus' Begehr nach 5.000 neuen Stellen bangten viele bei den Grünen um das gesamte Projekt, Paus musste zurückrudern und erklärte, dass man die 5.000 Stellen wohl reduzieren könne. Doch das war Grünen-Chefin Ricarda Lang nicht genug, sie machte nun klar: "Es wird keine 5.000 neue Stellen geben." Denn egal, ob mit Habeck oder Baerbock als Kanzlerkandidat(in) – die Kindergrundsicherung wollen die Grünen im nächsten Bundestagswahlkampf als Erfolg aufzählen. (Birgit Baumann aus Berlin, 9.4.2024)