Viereinhalb Monate vor der Landtagswahl in Thüringen trafen Björn Höcke (li.) und Marion Voigt (CDU) im Fernsehen aufeinander.
IMAGO/Martin Lengemann/WELT/dts

"Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann." Das hat der thüringische AfD-Chef Björn Höcke 2023 gesagt, und der Satz war auch der Anlass das "für das umstrittenste Duell Deutschlands". So zumindest vermarktete der ausführende Sender "Welt"-TV das Aufeinandertreffen von Höcke und dem Chef der Thüringen-CDU, Mario Voigt.

Der Christdemokrat hatte Höcke zunächst in einem Interview mit der "Welt" vorgeworfen, Europa sterben lassen zu wollen. Es kam zu einer Auseinandersetzung, weil sich AfD-Rechtsaußen Höcke falsch zitiert fühlte. Er bot ein TV-Duell an, Voigt akzeptierte, obwohl ihn viele warnten, Höcke eine Bühne zu bieten.

Und mit dem Zitat Höckes zu Europa beginnt am Donnerstagabend auch das Duell. Zunächst haben die beiden Kontrahenten, die an Pulten stehen, also Gelegenheit, sich zur Rolle der EU zu äußern.

"Ich will, dass die EU lebt, weil ich das beste für Deutschland will", leitet Voigt ein. Er lobt "Freiheit, Frieden" und "70 Jahre Stabilität". Europa sei "das Haus, das uns immer geschützt hat". Richtung Höcke sagt er: "Nur weil eine Tür quietscht, reißt man nicht das ganze Haus ein."

Höcke sieht es natürlich anders: "Die Europäische Union ist vor allem als Globalisierungsagentur einzuschätzen, sie ist das Europa der Lobbyisten, der Bürokraten und der Großkonzerne."

Leere Regale im Supermarkt

Dann wird es auch gleich persönlich. Da die AfD einen Ausstieg Deutschlands aus der EU anstrebt, wirft Voigt Höcke vor: "Das, was Sie wollen, sind leere Supermarktregale in Deutschland." Deutschland drohe der wirtschaftliche Abstieg, sollte es tatsächlich aus der EU austreten.

Höckes Konter: Deutschland würden vielmehr die "künstlich in die Höhe getriebenen Energiepriese das Genick brechen". Also sei die CDU eine "Wohlstandsvernichterpartei". Daraufhin weist Voigt noch einmal darauf hin, dass Höckes Politik "Schaden für Deutschland" bringen würde. Und er erklärt auch, dass es ihm genau darum gehe - nämlich Höcke inhaltlich zu stellen. Denn, so Voigt: "Es ist einfach, ihn einen Faschisten zu nennen. Das muss ich nicht machen, das hat ein Gericht schon gemacht."

Bis dahin läuft das Duell weitgehend auf Augenhöhe, wenngleich Höcke sich rhetorisch nicht so geschliffen präsentiert wie auf Parteiveranstaltungen. Aber dort trifft er ja auch auf keinen Widerstand.

"Worthülsen und Phrasen"

Zwar meint er, als es um Steuern und Sozialleistungen geht, noch zu Voigt: "Kollege Voigt, das war wieder dieser typische Konrad-Adenauer-Stiftungssound. Dieses Aneinanderreihen von Worthülsen und von Phrasen." Und er spricht auch davon, dass die AfD das "Weltsozialamt Deutschland" für Ausländer schließen werde.

Doch Voigt hält dagegen und betont, es sei eine CDU-Landrätin gewesen, die in Thüringen die erste Bezahlkarte für Geflüchtet eingeführt habe. Und ein Landrat der CDU für eine Arbeitsverpflichtung in Gemeinschaftsunterkünften gesorgt habe. In Sonneberg, dem einzigen Kreis, in dem die AfD den Landrat stellt, hingegen gebe es nichts davon. Das also, so Voigt, sei der Stil der AfD. "Die Backen aufblasen, aber kein einziges Problem lösen."

Höcke bringt dies sichtlich aus dem Konzept. Voigt greift ihn noch schärfer an, als es um ausländische Fachkräfte geht. Brauche man nicht so viele, meint Höcke, besser sei es jene, die schon in Deutschland leben zu Fachkräften auszubilden. Auch solle man das "Kinderkriegen" wieder fördern.

"Radikalpopulistischer" Voigt

Daraufhin Voigt: "Wir werden keine neue Unternehmensansiedlung und auch keine neuen Fachkräfte gewinnen, wenn der Reichskanzler Höcke zur Eröffnung kommt. Und deswegen kann ich Ihnen nur eins sagen: Das ist genau das Problem. Sie sind Gift für das Land." Wenn Höcke selbst mal im Spital liege und Hilfe brauche, werde womöglich keiner mehr da sein. Höckes Entgegnung: "Jetzt werden sie aber radikalpopulistisch."

Doch Voigt hat noch mehr im Handgepäck. "Das ist völkischer Müll", wirft er Höcke vor, als es um eine Rede Höckes vom Dezember 2023 geht, in der er erklärt hat, Deutschland könne auf 20 bis 30 Prozent der Menschen verzichten, also auch Menschen mit deutschem Pass. Zunächst rechnet Voigt vor, dass das Land mit 20 Millionen Menschen weniger nicht mehr funktionieren würde. Dann fragt er, wen es nach den Menschen mit Migrationshintergrund, den Menschen mit deutschem Pass noch erwischen würde: "Brillenträger?"

Es ist der Moment, in dem Höcke für Verblüffung bei Moderatorin und Moderator sorgt. Denn er erklärt "Remigration" plötzlich ganz anders. Es gehe doch darum, dass jene 1,5 Millionen Deutschen, die in aller Welt leben, wieder zurück nach Hause kommen.

Vorgehalten wird ihm dann ein Zitat aus seinem sechs Jahre alten Buch. Darin heißt es, dass die in Hamburg geborene Bundestags-Vizepräsidentin Aydan Özoğuz in Deutschland nichts verloren habe. Ob er das immer noch so sehe, wird Höcke gefragt.

NS-Parole als "Allerweltspruch"

Er will sich dazu nicht äußern. Denn: "Ich müsste die Passage noch mal selbst lesen. Ich habe das Zitat nicht mehr parat." Man erfährt auch noch, dass Höcke, der Geschichtslehrer, nicht wusste, dass "alles für Deutschland" eine Parole der Sturmabteilung (SA) aus der NS-Zeit ist, die in Deutschland verboten ist. Weil er sie verwendet hat, muss er sich ab nächster Woche vor Gericht verantworten. Höcke findet, es sei ein "Allerweltspruch".

Derzeit liegt die AfD in Thüringen in Umfragen bei 29 Prozent, dahinter folgt die CDU mit 20 Prozent. Auf Platz Drei findet sich mit 16 Prozent die Linkspartei, die den amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow stellt.

Die absolute Mehrheit würden am 1. September wohl weder die AfD noch die CDU bekommen, meint das Moderatoren-Duo zum Abschluss. Wer würde also mit wem koalieren? Für Voigt ist klar: "Mit diesen völkischen Ideen von Herrn Höcke werde ich nicht zusammenarbeiten." Höcke hingegen kann sich eine Koalition gut vorstellen und ersucht den CDU-Mann: "Gehen Sie in sich. Meine Hand ist weiterhin ausgesteckt, wir sind gesprächsoffen." (Birgit Baumann aus Berlin, 11.4.2024)