Wer auf der Facebook-Seite des pensionierten Polizisten M. scrollt, braucht viel Zeit und gute Nerven. Rassistische, EU-feindliche Inhalte, Memes und Links von einschlägigen Seiten oder neonazistische Narrative und sogar immer wieder Holocaust-Leugnung finden sich hier in einer Fülle, die bemerkenswert ist. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird mit Hitler gleichgesetzt, die Grünen mit Nationalsozialisten, die Ermordung von Millionen Juden abgestritten. Manche Beiträge teilt der Polizist mit seinem Klarnamen gleich mehrmals am Tag.

Sichtbar sind seine Beiträge nicht nur für seine über 3700 Facebook-Kontakte, darunter viele aus Polizei, Bundesheer, FPÖ sowie NPD und Der Dritte Weg, sondern auch für alle anderen. Unter den FPÖ-Politikern befinden sich auch einige prominente Abgeordnete aus Nationalrat und EU-Parlament.

Mindestens neun Jahre teilte der Polizist seine rechtsextremen Inhalte auf seinem Facebook-Profil mit Klarnamen. Symbolfoto. 
Mindestens neun Jahre teilte der Polizist seine rechtsextremen Inhalte auf seinem Facebook-Profil mit Klarnamen.
IMAGO/Jaap Arriens

Die Plattform Stoppt die Rechten, die der ehemalige Grünen-Abgeordnete Karl Öllinger vor 14 Jahren gegründet hatte und die gerade einen Relaunch vollzog, entdeckte den verhaltensauffälligen Polizisten, weil er mit einem bekannten "Reichsbürger" auf Facebook befreundet war. Bei Stoppt die Rechten bezeichnet man das unentwegte Teilen problematischer beziehungsweise auch strafrechtlich relevanter Inhalte des heute 62-jährigen Hobbytauchers als "besessen".

Wütend und einschlägig

Betrachtet man sein Social-Media-Profil, verhielt sich der Mann bis 2015 unauffällig. Doch im Jahr davor wurde die Dienststelle, die er geleitet hatte, geschlossen und er wie seine Kollegen innerhalb der Südoststeiermark versetzt. Damals begannen auch die wütenden und einschlägigen Postings.

Screenshot des
Screenshot des "Rheinwiesenlager"-Postings des Polizisten mit Brieger-Kommentar.

Besonders hervorzuheben ist ein Beitrag von Ende 2015 über die Rheinwiesenlager. Diese waren Gefangenenlager, die die Alliierten ab April 1945 entlang des Rheins für deutsche Kriegsgefangene betrieben. Auf einer Webseite, die M. als Posting teilt, wird behauptet, dass deutsche Tote dort ausgegraben und als jüdische Leichen ausgegeben worden seien, um so die Opferzahlen des Holocaust zu manipulieren. Eine Lüge, die gerne in Neonazikreisen verbreitet wird. Ganz deutlich wird M. 2016 auch, als er einen Artikel einer rechtsradikalen Seite teilt, der "Adolf Hitler hat keine Juden vergasen lassen, aber Juden haben Nichtjuden massenhaft vergast!" titelt.

Aber auch davor und danach teilt M. wieder und wieder Holocaust-Leugnung. Etwa dass die Zahl der sechs Millionen ermordeten Juden schon vor Kriegsbeginn festgelegt worden und nicht wahr sei. Das teilt er ebenfalls mehrmals. Außerdem postet er Videos einer verurteilten Rechtsextremen, die in der Neonaziszene glühende Fans hat. Und George Soros wird als "gefährlichster Mann der Welt", der "Europa zerstören" und den "Volksaustausch" betreiben will, dämonisiert – darunter wird antisemitisch gegen Soros kommentiert. Stoppt die Rechten hat alle Beiträge gesichert.

Kein Widerspruch

Kritik oder Widerspruch seiner tausenden Facebook-Freunde sucht man umsonst. Im Gegenteil, als M. 2023 wieder einmal einen revisionistischen Beitrag über die Rheinwiesenlager samt Link zu einer rechtsextremen Seite teilt, kommentiert ein hochrangiger österreichischer Militär zustimmend: Robert Brieger, ehemaliger Generalstabschef des Bundesheeres und heute Vorsitzender des Militärausschusses der Europäischen Union. "Es ist vor allem ein verschwiegenes Kapitel in der Geschichte der Sieger", schreibt Brieger unter den geteilten Link über die Rheinwiesenlager, die tatsächlich ab den 1970er-Jahren von Historikerinnen und Historikern aufgearbeitet wurden.

DER STANDARD bat am Freitagmorgen in Briegers Büro in Brüssel mündlich und schriftlich um eine Stellungnahme, eine Antwort darauf steht nach wie vor aus.

Der General war 2018 Inhalt von geleakten Chats zwischen dem damaligen Vizekanzler der FPÖ Heinz-Christian Strache und Herbert Kickl. Ob Brieger "eh einer von uns" sei, wollte Strache da wissen, was Kickl fünf Minuten später mit "selbstverständlich" bejahte und darauf hinwies, dass Brieger bereits öffentlich "Migration als größte Bedrohung" bezeichnet hatte.

Strache erkundigte sich 2018 bei Kickl über Brieger.
Strache erkundigte sich 2018 bei Kickl über Brieger.
Grafik: Stoppt die Rechten

Seinen Posten bekam Brieger damals unter dem blauen Verteidigungsminister Mario Kunasek.

M. postete vor und nach seiner Pensionierung die beschriebenen Inhalte. DER STANDARD fragte am Freitag auch in der Landespolizeidirektion (LPD) Steiermark nach, ob die mutmaßlichen Verstöße des Beamten gegen das Verbotsgesetz seinen Arbeitgebern bekannt gewesen seien. "Er war in der aktiven Dienstzeit niemals auffällig", sagt der Sprecher der LPD, Heimo Kohlbacher. Der "Ruhestandsbeamte ist in seiner aktiven Dienstzeit weder beim Bezirkspolizeikommando Südoststeiermark, noch bei der Landespolizeidirektion Steiermark negativ aufgefallen". Doch egal, ob während der aktiven Dienstzeit oder im Ruhestand, erklärt Kohlbacher: "Es geht auch im Ruhestand um das Ansehen nach außen, ein Polizist soll Vorbild nach außen sein, aber wir sind auch ein Querschnitt der Bevölkerung.“

Dienstrecht auch im Ruhestand 

Zunächst müsse die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt prüfen, so der Polizeisprecher, "wenn es dann der LPD zur Kenntnis gebracht wird, dann muss auch die Dienstbehörde eine interne Prüfung vollziehen". Auch im Ruhestand gelte das Dienstrecht.

Stoppt die Rechten wird jedenfalls eine Sachverhaltsdarstellung einbringen. Gegebenenfalls könnte ein Beamter sogar seine Beamtenpension riskieren.

Auf die Frage, wie keinem der befreundeten Beamten etwas aufgefallen sein könne, meint Kohlbacher: "Wenn jemanden so etwas wie ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz auffällt, muss ermittelt werden. Ein Offizialdelikt ist von Amts wegen zu verfolgen – auch in der Freizeit." (Colette M. Schmidt, 20.4.2024)