Im Hope Hostel in Kigali, Ruanda, sollen bald Asylwerber leben.
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Direkt am Eingang des Hope Hostel hängt ein großes Plakat. Adressiert an die bald zu erwartenden Besucher, steht darauf geschrieben: "Komme als Gast an, breche als Freund wieder auf." An den pathetischen Zeilen werden in wenigen Wochen voraussichtlich die ersten anreiseunwilligen Asylwerber vorbeischreiten, deren Abschiebung im Rahmen eines umstrittenen Abkommens mit Großbritannien nach Ruanda näher rückt. Das war auch das Hauptthema des Wien-Besuchs des britischen Premiers Rishi Sunak am Dienstag. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) erklärte dabei: "Mit dem Ruanda-Modell ist Großbritannien ein Wegbereiter dafür, dass wir die Asylverfahren in sicheren Drittstaaten auch auf die EU-Agenda bringen können und müssen."

Die Farbe auf dem Plakat verblasst schon ein wenig. Bereits seit zwei Jahren ist das Gasthaus an einer lebhaften Straße der Hauptstadt Kigali für den Publikumsverkehr geschlossen. Damals sollten die ersten Abschiebungen nach Ruanda erfolgen, mehrere Gerichte verhinderten das zunächst wegen Zweifeln an dem Asylverfahren in Ruanda. Erst jetzt im April verabschiedete das britische Parlament ein Gesetz, das die Abschiebung von Asylsuchenden in das ostafrikanische Land deutlich erleichtert.

"Komme als Gast an, breche als Freund wieder auf" steht beim Eingang geschrieben.
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Seitdem kommt trotz eingereichter Klagen von Menschenrechtsorganisationen Bewegung in die Sache. In Großbritannien kam es zu den ersten Festnahmen von Ausreisepflichtigen, viele flüchteten in benachbarte EU-Länder. Selbst bei einem erfolgreichen Antrag würde sich lediglich ein Bleiberecht für Ruanda ergeben – eine Rückkehr nach Großbritannien ist ausgeschlossen.

Auf der Insel macht man keinen Hehl daraus, dass es um Abschreckung geht. Dieser Tage zitierte der Fernsehsender Sky News aus Regierungsdokumenten, denen zufolge London zwischenzeitlich sogar den Irak für ein Modell im Stile des Ruanda-Abkommens erwogen habe – ein Land, für das es eine offizielle Reisewarnung ausgesprochen hat.

Einer ist schon da

Davon sah man letztlich ab, setzte aber den Deal mit Ruanda umso entschlossener durch. Mehrere Hotels sind dort entsprechend hergerichtet, insgesamt wurden Kapazitäten für rund 5000 Asylwerber geschaffen, auch wenn Ruanda zumindest offiziell keine feste Obergrenze für Aufnahmen zugesagt hat. Vor einigen Wochen gab es bereits einen Asylsuchenden, der nach Kigali geflogen wurde – allerdings im Rahmen eines Freiwilligenprogramms und nicht auf Grundlage des neuen Gesetzes. Wo er in Kigali wohnt, gab die Regierung von Präsident Paul Kagame bislang nicht bekannt.

Im vorerst also noch leeren Hope Hostel sieht man die Angelegenheit derweil ganz im Stile Kagames technokratisch, es laufen letzte Vorbereitungen in dem in einem gehobenen Stadtviertel gelegenen Gebäude. Organisiert werden sie von Ismael Bakina, der im eleganten Anzug zum Rundgang bittet, nach einer Sicherheitskontrolle wohlgemerkt. Dem Manager stehen 40 Mitarbeiter zur Verfügung, von denen er gerade einige zum Unkrautzupfen abgestellt hat.

Die Zimmer im Hope Hostel.
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"Wir rechnen in rund sechs Wochen mit den ersten Ankünften", sagt Bakina, "wir werden dafür sorgen, dass sie dann Trost und Sicherheit vorfinden." Das Hope Hostel hat die Hoffnung schließlich im Namen, einst waren darin Überlebende des Genozids im Jahr 1994 beherbergt. Nun gibt es neue Gebetsräume, Bakina rechnet mit vielen muslimischen Gästen. Auch in den 50 Zimmern liegen neben schwarz-weißer Bettwäsche Gebetsteppiche bereit, im Restaurant hängt ein großes Schild mit der Aufschrift "Halal" – inklusive arabischer Übersetzung.

Alles halal im Hotelrestaurant.
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Auf dem Weg zu einem Sportfeld, auf dem Fußball, Volleyball und Basketball gespielt werden kann, deutet Bakina auf ein großes weißes Veranstaltungszelt. Er erklärt, dass es als Drehscheibe für verschiedene Mitarbeiter und Übersetzer dienen wird, die alle bereit seien, bei der effizienten Bearbeitung der "Einwanderer" behilflich zu sein.

Das Sportfeld des Hostels.
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Ruanda weiß, dass die Umsetzung des umstrittenen Projektes weltweit mit Argusaugen beobachtet werden wird. Motivation sind dabei nicht nur die enormen Summen, die geflossen sind. Großbritannien überwies bislang umgerechnet 339 Millionen Euro, innerhalb der kommenden drei Jahre könnten nach Angaben des britischen Rechnungshofes bis zu 245 Millionen Euro hinzukommen.

Strategische Ziele

Doch aus Sicht Gonzaga Muganwas, eines politischen Analysten und ehemaligen Exekutivsekretärs des Journalistenverbands Rwanda Journalists Association, verfolgt Ruanda auch strategische Ziele. "Das Hauptaugenmerk liegt auf der Aufrechterhaltung enger diplomatischer Beziehungen zu Politikern in England", sagt Muganwa. "Diese Beziehungen gehen oft mit diplomatischer Unterstützung einher. Wenn man beispielsweise einflussreiche Verbündete hat, verringert sich die Wahrscheinlichkeit, mit Sanktionen konfrontiert zu werden, beispielsweise im Zusammenhang mit dem Kongo."

Im Inneren des Hostels.
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Das riesige Nachbarland wirft Ruanda vor, im Ostkongo die Rebellenbewegung M23 zu unterstützen, und fordert internationale Sanktionen. Das trotz seiner überschaubaren Größe (14 Millionen Einwohnern) in der Region äußerst einflussreiche Ruanda versucht derartigen Vorwürfen das Narrativ eines Zufluchtsortes entgegenzustellen. Tatsächlich leben bereits 127.000 Flüchtlinge in Ruanda.

"Es ist hart, sehr hart"

Doch nur wenige Bürger rechnen damit, dass die aus Großbritannien ausgewiesenen Asylsuchenden lange bleiben werden, selbst bei einer Anerkennung ihrer Anträge. Zu den vielen Zweifelnden gehört der Taxifahrer Abdul Latif Mupenzi. Er begrüßt die Willkommenskultur seines Landes, verweist aber auf die hohe Arbeitslosenquote – schon allein die werde die Integration behindern. "In Ruanda seinen Lebensunterhalt zu verdienen ist hart, sehr hart", sagt er – zumal, wenn es an den nötigen Sprachkenntnissen fehle.

Vielleicht, so sinniert der Fahrer, sei es für diejenigen aus friedlichen Ländern dann doch das Beste, nach Hause zurückzukehren. (Nasra Bishumba, Christian Putsch, 21.5.2024)