Wenn Katalonien am Sonntag ein neues Autonomieparlament – und damit eine neue Autonomieregierung, die Generalitat – wählt, schaut einmal mehr ganz Spanien gespannt auf die Region rund um die katalanische Hauptstadt Barcelona. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Kann der im Exil lebende einstige Präsident der Generalitat, Carles Puigdemont, die 2017 verlorene Regierung zurückerobern?

Carles Puigdemont verließ 2017 Spanien – seither besteht ein Haftbefehl gegen ihn wegen Aufstandes sowie wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder.
AFP/JOSEP LAGO

Puigdemont verließ damals Spanien – seither besteht ein Haftbefehl gegen ihn wegen Aufstandes sowie wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder. Er war einer derjenigen, die gegen den Willen der spanischen Regierung am 1. Oktober 2017 ein Referendum über die Loslösung von Spanien abhielten. Wenige Tage später verkündete Puigdemont die Unabhängigkeit Kataloniens, um sie sofort wieder auszusetzen. Anstatt dies als eine Einladung zu Gesprächen zu verstehen, verfolge die spanische Regierung in Madrid die Unabhängigkeitspolitiker und Aktivisten. Einige gingen ins Exil, andere wurde zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt, später aber begnadigt.

Jetzt hat die Linkskoalition in Madrid unter Pedro Sánchez zusammen mit einem breiten Spektrum linker und regionaler Parteien – Puigdemonts Gemeinsam für Katalonien (JxCat) ist dabei – eine Amnestie für Hunderte von Menschen ausgehandelt, die wegen des Referendums 2017 richterlich verfolgt werden oder wurden. Dies war für den Sozialisten nötig geworden, um eine Parlamentsmehrheit hinter sich zu bringen.

Hoffnung auf Comeback

Sobald die Amnestie gegen Ende des Monats in Kraft tritt, will Puigdemont zurückkommen – als Anwärter auf des Amt des Regionalpräsidenten, so hofft er. Er will in Katalonien die "legitime Regierung" – die seine, die 2017 von Madrid per Verfassungsartikel 155 abgesetzt worden war – erneut installieren.

Puigdemont hält derweil seine Wahlkampfveranstaltungen im französischen Teil Kataloniens ab, denn zu Hause in Spanien würde er noch immer sofort verhaftet werden. Vor mehreren Hundert Menschen, die zu Wochenbeginn nach Argelers gereist waren, erklärte er, seine JxCat sei die "einzige Option für die Unabhängigkeit mit Gewinnchancen" – und auch die einzige politische Kraft, die "Madrid Bauchschmerzen bereiten" könne.

Umfragen sehen Puigdemont und JxCat tatsächlich vor der bisher in Minderheit regierenden Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) unter dem derzeitigen Präsidenten der Generalitat Pere Aragonès. Allerdings wird Puigdemont auf deren Stimmen im Parlament und auf die der antikapitalistischen CUP angewiesen sein, um überhaupt eine Chance auf eine Parlamentsmehrheit zu haben.

Was sagen die Umfragen?

Stärkste Kraft wird JxCat in Katalonien wohl kaum werden: Alle Umfragen sehen die auch in Madrid regierenden Sozialisten vorn – allerdings bleiben auch sie ohne Parlamentsmehrheit. Ihr Spitzenkandidat ist Salvador Illa, der Mann, der während der Covid-Pandemie das Gesundheitsministerium in Madrid leitete. Er will Katalonien aus der Logik des Unabhängigkeitsprozesses führen.

"Puigdemont steht für die Blockade Kataloniens", erklärt Illa und spricht von "Eintracht" und "Aussöhnung" zwischen denen, die für den Verbleib bei Spanien sind, und denjenigen, die wegwollen. Für Illa ist der Föderalismus die Alternative zur "Politik der Polarisierung", der "Spaltung", und der "Präsidenten, die sich für Konfrontation statt Einheit entscheiden". Dies habe seit 2017 zur politischen "Lähmung" Kataloniens geführt und dafür gesorgt, dass die katalanische Regierung unter JxCat und ERC bei Themen wie Dürre, erneuerbare Energien oder Innovation völlig versagt habe.

Doch genau auf diese ERC wird Illa angewiesen sein, will er regieren. Nur wenn Aragonès, dem die meisten Umfragen nur noch einen dritten Platz vorhersagen, sich für eine lagerübergreifende Koalition statt für eine Unabhängigkeitskoalition mit Puigdemont entscheidet, besteht für Illa ein Weg in die Generalitat, um Katalonien wieder näher an Spanien zu führen.

Sánchez pokert

Nach der Wahlnacht am Sonntag wird es in Katalonien eine lange Zeit der Verhandlungen geben. Selbst eine völlige Blockade mit anschließenden Neuwahlen sind nicht auszuschließen.

Als wäre das alles nicht schon schwer genug, dürfte auch Spaniens Ministerpräsident Sánchez ein Wörtchen mitreden wollen. Denn für ihn hängt viel von Katalonien ab: Er regiert in Madrid nur dank eines breiten Parteienspektrums, das seine Minderheitsregierung stützt. Darunter sind sowohl ERC als auch JxCat. (Reiner Wandler aus Madrid, 12.5.2024)