Braunkohle Tagebau in Deutschland.
Statt auf Braunkohle setzt so mancher Bergbaukonzern – wenn auch zaghaft – zusehends auf Lithium, Kobalt und Grafit. Was für die Energiewende unabdingbar ist, stößt in der Umsetzung aber auf reichlich Hürden.
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Milliardenschwere Projekte mit Jahren bis Jahrzehnten Anlaufzeit, volatile Rohstoffpreise, Umweltbedenken: Der Bergbau hat wahrlich kein einfaches Standing. In Europa über Dekaden hinweg vernachlässigt, schlug die EU im März einen neuen Weg ein. Nach dem Energiepreisschock infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine erfolgte ein Umdenken.

Aus der Abhängigkeit von russischem Erdgas konnte man sich weitestgehend befreien – Österreich bildet hier die Ausnahme –, für die Rohstoffe der Zukunft stellte man die Weichen gleich mit. Neue Ziele für die EU-weite Gewinnung von Lithium und Co waren die Folge, nun geht es in die Umsetzung. Doch dort hakt es gehörig; die Liste an jenen, die fehlende Investitionen in die Ausgangsstoffe von E-Auto-Batterien und Windkraftanlagen beklagen, wird zusehends länger.

"Wenn die Menschen diesem Sektor keine Chance geben, wird die Energiewende durch die Knappheit der Materialien für den Bau aller benötigten Anlagen behindert", warnte etwa der Rohstoffverantwortliche von Blackrock, Evy Hambro, bereits vergangenen Herbst. Und auch Sinead Kaufman, Chief Executive Minerals beim britisch-australischen Bergbauriesen Rio Tinto, lässt nun damit aufhorchen, zu niedrige Investitionsraten würden die grüne Transformation gefährden. Dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dominic Barton zufolge sei die Finanzierungslücke "gigantisch", mehrere Hundert Milliarden Dollar würden fehlen.

Weltgrößter Lithiumhersteller senkt Prognosen

Doch wie kommt es dazu? Ein wesentlicher Grund dafür ist der beispiellose Anstieg der Nachfrage. Je nach Prognose könnten E-Autos, Smartphones und PV-Anlagen den weltweiten Lithiumbedarf innerhalb eines Jahrzehnts auf das Zwölf- bis Achtzehnfache heben, jener für Grafit könnte von 86.000 Tonnen 2020 auf 1,2 bis 1,8 Millionen (!) Tonnen im Jahr 2030 ansteigen. So zumindest die aktuellen Prognosen der Europäischen Kommission. Zuletzt aber korrigierte etwa der weltgrößte Lithiumhersteller Albemarle seine Prognosen nach unten.

Wie die Financial Times im Februar berichtete, rechnen die Analysten des US-amerikanischen Spezialchemiekonzerns nun mit zehn Prozent weniger Bedarf bis zum Ende der Dekade als in früheren Prognosen. Grund dafür sei der schwächelnde Elektroautomarkt in den USA und Europa; zudem würde vor allem in China zusehends auf Stromer mit kleineren und rohstoffärmeren Batterien gesetzt.

Ein weiterer Grund für die zurückhaltende Investitionsbereitschaft sind die volatilen Preise an den Rohstoffmärkten. Mit einer Tonne Lithium etwa lassen sich aktuell 13.900 Euro verdienen – ein Rückgang von knapp 48 Prozent im Jahresabstand. Zur Hochphase im November 2022 kostete eine Tonne Lithium noch 74.600 Euro. Albemarle bekam das mit einem Nettoverlust von 618 Millionen Dollar im vierten Quartal 2023 zu spüren, nachdem im Vergleichszeitraum noch ein Gewinn von 1,1 Milliarden Dollar herausgeschaut hat.

Konzentration auf einige wenige

Und auch in den weltweiten Zahlen zeigt sich: Nur wenige Länder der Welt machen mehr Geld für die Rohstoffexploration frei. So erhöhten zwischen 2018 und 2022 vor allem Kanada, Australien und die USA ihre Budgets für die Suche nach Rohstoffen, wie eine Analyse des Wirtschaftsprüfers Ernst & Young (EY) zeigt. Das knapp 2,7 Milliarden schwere Explorationsbudget Kanadas wird – wie jene der anderen Länder – allerdings nicht ausschließlich für die Suche nach kritischen Rohstoffen aufgewendet. Eisen und Stahl werden damit ebenso gesucht und gewonnen. Wie viel Geld in Lithium und Co fließt, geht aus den Berechnungen nicht hervor – wohl aber wird hervorgehoben, dass das Investitionsvolumen stetig steigt.

Insgesamt dürften aber erheblich größere Anstrengungen vonnöten sein – insbesondere in der EU. Denn dort sind die Weichen mit dem Critical Raw Materials Act (CRMA) auf eine vermehrte heimische Gewinnung gestellt. Zehn Prozent des Jahresbedarfs sollen demnach bis 2030 aus eigenem Boden gedeckt werden, 25 Prozent aus Recycling stammen. Dafür gibt es etwa schnellere Genehmigungsverfahren.

Ein Arbeiter im Lithium-Werk von Imerys in Frankreich.
Laut dem Interessenverband Eurometaux braucht es Dutzende von neuen Anlagen, um die EU-Klimaziele zu erreichen. Fraglich ist, woher das Geld dafür kommen soll.
AFP/OLIVIER CHASSIGNOLE

Riskantes Geschäft

Ob das reicht, ist fraglich. Laut Eurometaux, dem Interessenvertreter europäischer Hersteller und Recycler von Nichteisenmetallen, erfordern die neuen Ziele mindestens zehn neue Minen, 15 Verarbeitungs- und ebenso viele Recyclinganlagen. Kurzum: Der Investitionsbedarf ist enorm. Für Geldgeber ist es allerdings zuweilen ein riskantes Geschäft, nicht selten formieren sich Bürgerproteste gegen geplante Bergbauprojekte, die ohnehin langer Vorlaufzeiten bedürfen. "Ein Großprojekt kann bis zu 20 Jahre in Anspruch nehmen, bevor der Betrieb überhaupt aufgenommen wird, und erfordert zudem oftmals Investitionen in Milliardenhöhe", weiß auch Rio-Tinto-Rohstoffexpertin Kaufman.

Neue Geldströme erhofft sie sich aus einem europäischen Fonds für kritische Mineralien, wie sie in einem Meinungsbeitrag schreibt. Österreichs Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) setzt sich derweil gemeinsam mit Deutschland und Frankreich für eine Finanzierung im Rahmen der Taxonomie-Verordnung ein. Darin ist geregelt, welche Investitionen als umweltfreundlich gelten – jene in kritische Rohstoffe sucht man bislang vergebens.

Außerhalb Europas – vor allem in den USA und Australien – sind es allen voran Regierungen, die mittels Subventionen und Krediten Geld in den Bergbau pumpen. Engagements in vergleichbaren Größenordnungen sucht man in der EU vergebens. Doch eine Lösung wird es auch hier brauchen – sei es nun aus dem staatlichen oder dem privaten Sektor. (Nicolas Dworak, 16.5.2024)