Wenn's wirklich ums Eingemachte geht, bleibt man beim Spechteln am Fenster außen vor, oder?
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Pro & Kontra ist eine in der STANDARD-Beilage "RONDO" erscheinende Rubrik, die auf humoristische Weise Themen aus dem Alltag diskutiert.

Pro

Meine Nachbarn sind meine Fernsehshow. Ein Blick in ihre Wohnungen, in ihr Leben, in ihren Alltag ist manchmal viel interessanter als eine Folge einer überproduzierten Fernsehserie und viel greifbarer als der gefakte Realismus einer Reality-TV-Show. Wie geht es weiter beim neueingezogenen Nachbarn? Wird sein Date von letztens wiederkommen, und wo hängt er das modernistische Gemälde auf? Hat sich das lesbische Pärchen darüber getrennt? Liegt es an ihrer neuen Dartscheibe? Wie heißt die Katze von den Nachbarn direkt gegenüber von uns, und nein, ich schau nur so genau, weil ich die Katze sehen will und nicht weil der Nachbar so gut trainiert ist.

Es liegt in der menschlichen Natur, neugierig zu sein. Uns interessiert, was die anderen machen. In uns allen steckt eine spechtelnde "Frau Kaiser". Und mich können die Nachbarn ja auch beobachten. Es ist ein Geben und Nehmen. Außerdem: Was kann ich dafür, wenn das Wohnhaus gegenüber so offenherzig geplant wurde, dass man halt einfach alles sehen kann und niemand Vorhänge benutzt? (RONDO, Kevin Recher, 21.5.2024)

Kontra

Auch ich habe schon bei den Nachbarn gespechtelt. Manchmal laden sie ja geradezu dazu ein, länger hinzuschauen. In letzter Zeit aber ist die Sache langweilig geworden. Die beiden Teenager, die im vergangenen Jahr verlässlich gegenüber dem Küchenfenster ihre Zigaretten rauchten, sind verschwunden. Das streitende Ehepaar ist ausgezogen.

Und ganz ehrlich? Es fehlt mir an Ausdauer, die "Else Kling" (kennt die überhaupt noch wer?) des Hauses geben: Ständig im Fensterrahmen das Auf und Ab der Nachbarschaft zu beobachten ist nicht mein Ding. Vielleicht hat das damit zu tun, dass ich mich seit einiger Zeit auf Netflix mit Klatsch und Tratsch versorge: Nach ein paar Staffeln The Real Housewives of Beverly Hills habe ich keine Kapazitäten mehr, den Alltag meines Umfelds zu sezieren. Außerdem kann die Wiener Nachbarschaft nicht mit den Dramen von Lisa Vanderpump und Kyle Richards aus Los Angeles mithalten. Denn ja, wenn's wirklich ums Eingemachte geht, bleibt man beim Spechteln am Fenster eben doch außen vor. (RONDO, Anne Feldkamp, 21.5.2024)