Hand mit blauen Gummihandschuhen hält eine HIV-positive Blutprobe
Vor mehr als 40 Jahren wurde das HI-Virus entdeckt, das die Impfstoffforschung bis heute vor ein Rätsel stellt.
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Ursprünglich war die Hoffnung groß. In spätestens zwei Jahren würde es einen Impfstoff gegen HIV geben, zeigte sich die damalige US-Gesundheitsministerin Margaret Heckler zuversichtlich, kurz nachdem Forscherinnen und Forscher das HI-Virus entdeckt hatten. Das ist jetzt mehr als 40 Jahre her, und bis heute gibt es keinen solchen Impfstoff.

Wäre Hecklers Hoffnung eingetreten und ein Impfstoff entwickelt worden, hätte er wohl Millionen Menschenleben retten können. Denn das Humane Immundefizienz-Virus, kurz HIV, ist nach wie vor eine globale Herausforderung. 2022 lebten 39 Millionen Menschen mit HIV, 1,3 Millionen Menschen infizierten sich neu, und 630.000 Personen starben an Aids. Obwohl Präventionsmaßnahmen und eine erfolgreiche Behandlung zu rückläufigen Zahlen führen, ist eine Impfung gegen HIV dringend notwendig, um die Epidemie nachhaltig zu bekämpfen.

Hohe Mutationsrate

Aber das HI-Virus stellt Wissenschafterinnen und Wissenschafter vor eine Herausforderung. "Einer der Gründe, warum die HIV-Impfstoffentwicklung so schwierig ist, ist die schnelle Mutationsrate des HI-Virus", erklärt Hendrik Streeck vom Institut für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. Das Virus verändert sich genetisch so oft, dass es dem Immunsystem immer wieder entgehen kann.

Und auch die unterschiedlichen Übertragungswege von HIV machen es der Impfstoffforschung schwierig, denn die Immunabwehr muss in verschiedenen Körperregionen aufgebaut werden. Dazu kommt, dass sich HIV nach der Übertragung in kurzer Zeit in Zellen und Bereichen des Körpers ansiedelt, die für das Immunsystem schwer erreichbar sind und in denen das Virus für immer bleibt. "Daraus folgt, dass eine sogenannte sterilisierende Immunität erreicht werden muss, das heißt, die Impfung soll die Infektion verhindern und nicht den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen", sagt Georg Behrens von der Medizinischen Hochschule Hannover.

Zudem hat das Virus eine "sehr variable Oberflächenstruktur und ist durch Zuckerstrukturen zusätzlich vor der Erkennung durch Antikörper geschützt ist", erklärt Marcus Altfeld, Leiter der Abteilung Virus Immunologie am Heinrich-Pette-Institut. Das führt dazu, dass sich breit neutralisierende Antikörper, die eine Infektion verhindern können, nur sehr langsam über den Verlauf von vielen Jahren nach einer HIV-Infektion entwickeln.

Die bisherigen Forschungsansätze konnten noch keine solche Antikörperproduktion, die vor einer HIV-Infektion schützt, auslösen. Vier Forschungsteams soll aber nun genau das gelungen sein, ihre Arbeiten sind eben im Fachjournal Science erschienen. Die Teams entwickelten dabei einen Impfansatz weiter, der zur Produktion von sogenannten breit neutralisierenden Antikörpern führen soll. Diese können besonders viele HIV-Typen an einem Hüllprotein binden und sollen so eine Infektion verhindern.

Vielversprechender Ansatz im Tiermodell

Gelingen soll das über den Ansatz des sogenannten Keimbahn-Targeting. Dabei sollen speziell entwickelte Immunogene gezielt menschliche B-Zellen aktivieren, die das genetische Potenzial besitzen, zu Plasmazellen zu werden, die dann wiederum breit neutralisierende Antikörper produzieren können. Aktuell sei diese Herangehensweise ein besonders "vielversprechender Ansatz zur Impfstoffentwicklung", findet Altfeld. Und dass dieser Zugang auch in der Praxis grundsätzlich funktionieren kann, wurde nun im Tiermodell nachgewiesen. Bei Affen und Mäusen konnte die Immunantwort durch Impfungen so gesteuert werden, dass sie breit neutralisierende Antikörper bildeten.

Die entscheidende Frage für künftige Studien ist nun, ob das auch im Menschen gelingt. Dass das Keimbahn-Targeting prinzipiell auch beim Menschen klappen kann, zeigte bereits eine erste klinische Studie, berichtet Altfeld. "Wir müssen aber befürchten, dass die neutralisierenden Antikörper nach den Impfungen relativ rasch wieder verschwinden. Das kennen wir von der Covid-19-Impfung. Es sind also wiederholte Impfungen erforderlich, um die Qualität der Antikörper zu erreichen und dann die Menge aufrechtzuerhalten", sagt Behrens. Das könnte eine breite Anwendung später schwierig machen. Aber die ersten Studien im Menschen haben begonnen, und "wir werden bald sehen, ob Impfungen mit einem Keimbahn-Targeting eine gute Strategie sind. Wenn ja, wird dieses Verfahren sicher auch für die Impfstoffentwicklung gegen zum Beispiel Hepatitis-C-Viren untersucht." (Magdalena Pötsch, 16.5.2024)