Die Hebamme Elisabeth Bramauer mit Jungmutter Denise und deren Sohn Luis
Hebamme Elisabeth Bramauer (links) begleitete Jungmutter Denise bis zur Geburt ihres Sohnes Luis.
St. Josef Krankenhaus/Kawka

Nein, das kann doch unmöglich stimmen, denkt Denise. Ungläubig leuchtet sie mit der Handytaschenlampe das Anzeigefenster aus, es ist schließlich schon kurz vor Mitternacht und dementsprechend dunkel. Sie und ihr Freund sind gerade erst aus Malta zurückgekommen. Den Kurztrip hatte sie sich als Belohnung für den Abschluss der Handelsschule gegönnt. Und eigentlich hätte sie ihr Periode schon bekommen sollen. Ärgerlich, dass das genau mit dem Urlaub zusammenfällt, hatte sie noch gedacht. Aber dann blieb sie aus.

Und tatsächlich: Mit der Handytaschenlampe beleuchtet, ist der zweite Strich auf dem Schwangerschaftstest noch etwas deutlicher zu sehen. Sie ist schwanger. Damals, das war im Juni 2022, war sie 18 – und die Schwangerschaft ein Schock. Eine Abtreibung war aber nie eine Option. "Es war schnell klar, dass ich das durchziehe", erzählt Denise (20) heute. Auch ihr Partner war sofort dabei, und es stand rasch fest: Wir bekommen dieses Kind! Im familiären Umfeld haben ebenso alle gut auf die Neuigkeiten reagiert. Manche waren vielleicht etwas zögerlich mit der Freude, aber am Ende standen alle hinter dem jungen Paar.

Wie geht es jetzt weiter?

Dass junge Schwangere in so einem stabilen Umfeld wie Denise sind, ist dabei eher die Ausnahme, berichtet Elisabeth Bramauer. Sie ist Hebamme bei Young Mum, einer Anlaufstelle für schwangere Teenager im St.-Josef-Krankenhaus in Wien. Gemeinsam mit einer weiteren Hebamme, Gynäkologen, Psychologinnen, einer Sozialarbeiterin und einem Rechtsberater unterstützt sie pro Jahr an die 80 Teenager während der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr des Kindes. Pro Jahr sind hierzulande mehr als 800 Frauen bei der Geburt ihres Kindes unter 20 Jahre alt.

Viele von ihnen haben nur wenig Rückhalt im Umfeld: "Oft gibt es Probleme mit der Schule, dem Arbeitgeber oder den Behörden. Oder die Schwangerschaft hat im sozialen Umfeld wenig Platz, finanzielle Sorgen sind da, die Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen und mehr. Für all das wollen wir den jungen Frauen hier Raum geben", sagt Bramauer.

Das Angebot ist dabei vielfältig. Betroffene werden über finanzielle Leistungen informiert, mit anderen Jungmüttern vernetzt und in Gruppenkursen auf die Geburt vorbereitet. Dort ist Platz für alle Fragen, die sich die jungen Frauen stellen. Was passiert während der Schwangerschaft eigentlich genau? Wie geht es jetzt weiter? Wie verändert sich der Körper?

Hebamme hält eine Gebärmutter aus Plastik und eine Puppe in der Hand. Sie erklärt einer jungen, werdenden Mama den Geburtsprozess.
In den Geburtsvorbereitungskursen der Hebammen von Young Mum haben alle Fragen, Sorgen und Ängste der werdenden Jungmamas Platz.
St. Josef Krankenhaus/Kawka

"Mit 18 war ich damals die Älteste im Geburtsvorbereitungskurs", erinnert sich Denise und muss schmunzeln. Die meisten, die bei Young Mum betreut werden, sind zwischen 16 und 18. Noch jüngere Schwangere sind die Ausnahme. "Manche sind sogar zweimal bei Young Mum dabei. Bei der ersten Schwangerschaft mit 16 etwa und dann bei der zweiten mit 19", berichtet Bramauer.

Finanziert wird Young Mum mit Spenden. Betreut werden dabei jene Frauen, deren Schwangerschaft vor dem 20. Lebensjahr eingetreten ist. Das sind längst nicht alles ungeplante Schwangerschaften. Es sind auch häufig geplant Schwangere Teil des Young-Mum-Projekts, erzählt Bramauer: "Etwa wenn es Frauen aus anderen Kulturkreisen sind, in denen es nicht unüblich ist, schon jung Mama zu werden."

"Na, die Jugend heutzutage!"

Als Begleiterin der werdenden Jungmamas beobachtet Bramauer dabei einen entscheidenden Unterschied im Vergleich zu älteren Schwangeren. Junge Frauen seien oft noch sehr intuitiv, verlassen sich eher auf ihr Bauchgefühl, anstatt Ratgeber zu lesen. Das kann ein Vor- und ein Nachteil gleichzeitig sein, sagt sie: "Gerade bei der Geburt kann das sehr hilfreich sein." Gleichzeitig fehlt dadurch manchmal das Bewusstsein über das passende Gesundheitsverhalten während einer Schwangerschaft, vor allem Rauchen und ungesunde Ernährung sind da immer wieder Thema.

Bei Denise verlief die Schwangerschaft weitestgehend problemlos. Nur einmal, als sie zu Hause auf der Treppe gestolpert ist, hatte sie Blutungen und wollte sich durchchecken lassen. Einer der Sanitäter schüttelte ihr gegenüber mit den Worten "Na, die Jugend von heute …" nur den Kopf. Das sei ein bezeichnendes Beispiel, findet Bramauer: "Junge Frauen machen da oft unschöne Erfahrungen. Wir hören, dass sie von medizinischem Personal manchmal nicht ernst genommen werden."

Dazu kommen Blicke, abwertende Kommentare und Vorurteile, denen junge Schwangere ausgesetzt sind. "Die gehen ganz schön unter die Haut", sagt Denise. Ihren Bauch hat sie während der Schwangerschaft deshalb nie gerne gezeigt und immer nur weite Sachen getragen.

Umso wichtiger ist eine intensive Betreuung der jungen werdenden Eltern. Das reduziert nicht nur die psychische Belastung: "Wenn Teenager in dieser Phase umfassend begleitet werden, sinkt auch das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und Frühgeburten", betont Bramauer.

Neue Freundschaften

Mittlerweile ist Luis gut ein Jahr alt, im Februar 2023 brachte ihn Denise per Kaiserschnitt zur Welt. Damit gehört Denise zu den knapp 15 Prozent der schwangeren Jugendlichen, die im St.-Josef-Krankenhaus per Kaiserschnitt entbinden. Das entspricht auch jener Zahl, von der man auch bei der WHO in etwa ausgeht. Aber faktisch liegt die Kaiserschnittrate in Österreich seit Jahren deutlich höher, durchschnittlich kommen Neugeborene hierzulande in 30 Prozent der Fälle per Kaiserschnitt zur Welt.

Die betreuenden Hebammen haben eine Vermutung, woran das liegen könnte: "Bei einer Geburt geht es darum, Kontrolle abzugeben. Das kann im Alter schwieriger werden. Junge Frauen tun sich da oft noch leichter, sich auf den Geburtsprozess einzulassen", erklärt Bramauer.

Auch aufs neue Leben als Eltern haben sich Denise und ihr Partner Flo ganz intuitiv eingelassen. Da "findet man sich eh schnell rein", sagt Denise. "Im Endeffekt ist es nichts anderes, wie wenn eine Frau mit 30 ihr erstes Kind bekommt. Die macht das dann auch alles zum ersten Mal."

Nur eine Sache war beim Mamawerden wirklich schwierig für sie. Nahezu alle Schulfreundinnen haben sich von ihr entfernt, teilweise wurde sie blockiert und in sozialen Medien als Freundin entfernt. "Dass alle Freundinnen, bis auf ganz wenige, nichts mehr mit mir zu tun haben wollten, da habe ich wirklich drunter gelitten. Ich habe es auch nicht verstanden, ich werde durch die Schwangerschaft ja kein anderer Mensch!"

Und auch auf der Suche nach neuen Kontakten hat sie erst unschöne Erfahrungen gemacht. "Bei einem Babycafé wurde ich gefragt, was ich als Schwester da mit dem Kleinen zu suchen habe. Das sei schließlich was für Eltern und nicht für Geschwister." Bei Young Mum kennt man diese Situationen, denen junge Eltern oft ausgesetzt sind, und hat deshalb das Young-Mum-Café ins Leben gerufen. Einmal im Monat können sich im St.-Josef-Krankenhaus junge Eltern bei Kaffee und Kuchen zum Austausch treffen. Über dieses Angebot hat Denise nicht nur Gleichgesinnte, sondern Freundinnen fürs Leben gefunden, ist sie sicher. "Die Freundinnen, die ich jetzt habe, sind wirklich immer für mich da. Ich brauche gar nicht viele. Wichtig ist nur, dass man die richtigen hat."

Wie wäre ein Leben ohne Kind?

Sie würde alles immer wieder genauso machen, sagt Denise heute, auch wenn es zeitweise herausfordernd war. Und trotzdem vermisst sie manchmal ein Leben, eine Jugend ohne Kind. Dabei denkt sie oft nur an Kleinigkeiten: Einfach mal ins Auto setzen und losfahren, das wär’s! Ohne vorher den Kindersitz vorzubereiten und extra Zeit einzuplanen, weil mit dem Kleinen halt doch manches Mal nicht alles reibungslos klappt.

Oder wenn am Samstagabend ihre ehemaligen Freundinnen und Freunde alle fortgehen und sie daheimsitzt. An solchen Tagen sucht sie das Gespräch mit ihrer Mutter. "Heute fällt es mir richtig schwer, Mama zu sein", sagt sie dann zu ihr. "Das ist okay, so darf man sich auch mal fühlen", antwortet ihre Mama in diesen Momenten. "Und wenn ich dann doch hin und wieder mal fortgehe, will ich nach ein paar Drinks sowieso meistens wieder nach Hause", sagt sie und muss lachen. "Da merke ich dann eh schnell, dass ich da nicht wirklich was verpasse."

Ob sie und ihr Partner irgendwann ein zweites Kind bekommen möchten, steht noch in den Sternen. Jetzt fordert der kleine Luis erst einmal die gesamte Aufmerksamkeit der beiden ein. Schließlich lernt er nicht nur gerade gehen, sondern auch seinen eigenen Willen durchzusetzen, berichtet Denise. "Er schüttelt dann eifrig den Kopf und signalisiert: 'Nein, nein, nein, das will ich nicht.' Das kann ganz schön anstrengend sein."

Und ohnehin wolle sie jetzt erst einmal arbeiten gehen – in einem Bereich, in dem sie die Ausbildung noch während der Schwangerschaft quasi auf den letzten Drücker vor der Geburt abgeschlossen hat: in der Kinderbetreuung. (Magdalena Pötsch, 18.5.2024)