Ist das Schussattentat auf den slowakischen Premier Robert Fico ein Einzelfall? Wieso ist die Stimmung so aufgeheizt? Es sei gefährlich, einen Einzelfall als reinen Einzelfall zu betrachten, "es ist aber auch gefährlich, eine gesellschaftliche Stimmung als homogen und nur als einen einzelnen Faktor für eine Einzeltat zu nehmen", sagte die Soziologin Anna Durnová am Donnerstagabend in der ZiB 2. Ein Einzelfall eines Individuums könne nicht ohne gesellschaftliche Strukturen stattfinden.

"Wir haben es nicht nur mit dieser Tat in der Slowakei zu tun, auch in Deutschland gibt es ähnliche, wenn auch nicht so radikale Taten." Die Gesellschaft und die politische Diskussion hätten sich radikalisiert, "es gibt verbale Gewalt, im Netz und offline. Und es gibt auch physische Gewalt", warnt sie. Der Anschlag auf Fico sei "ein Weckruf, nicht nur für die Slowakei, sondern für uns alle in Europa".

Soziologin Anna Durnova
Soziologin Anna Durnová über Radikalisierung, Ängste und Frustrationen.
Screenshot: ORF-TVthek

Gegen Schwarz und Weiß

Die Politiker hätten eine Nähe geschaffen, off- und online, "das holt Stimmen". Durch diese Nähe sei die Politik auch niederschwelliger geworden. "Politiker werden angebrüllt, angepfiffen." Und auch angeschossen, "wir sehen, dass das aus dem Ruder läuft, es gibt eine sehr emotionale Stimmung, die Ängste und Frustration hervorruft", so Durnová. Medien und Politikerinnen und Politiker würden diese Umgebung nicht wirklich korrigieren.

Durnová: "Wir leben weiter in einer polarisierenden Logik. Wir neigen dazu, die Phänomene in einem Pro und Kontra, in Schwarz und Weiß zu malen. Wir vergessen damit die Komplexität eines Phänomens." Hier komme dann gegenseitige Hetze ins Spiel, die Frage nach dem Dafür oder Dagegen. "Wenn wir in zwei Lager aufteilen, dann dürften wir uns nicht wundern, dass jemand diese Zwei-Lager-Logik ernst nimmt und persönlich sehr radikale Konsequenzen setzt."

Durnova war Donnerstagabend zu Gast bei Margit Laufer in der
Durnová war Donnerstagabend zu Gast bei Margit Laufer in der "ZiB 2".
Screenshot: ORF-TVThek

Wie kann man diese Situation entschärfen? Durnová plädiert dafür, über Konflikte jenseits dieser Pro-und-Kontra-Logik zu sprechen. Und mehr über Ursachen, unterschiedliche Kontexte zu reden und auch darüber, woher Ängste kommen und wie sie gemildert werden können. Wir könnten hier alle als Bürgerinnen und Bürger etwas tun und zum Beispiel beim nächsten Familientisch über die andere Position nachdenken oder nachfragen, wovor das Gegenüber Angst hat. Es würde uns allen guttun, wenn wir uns auseinandersetzen würden damit, warum Menschen anders sind, sagt Durnová. Dann könne man Meinungen besser nachvollziehen und auch besser damit umgehen. (Astrid Ebenführer, 17.5.2024)

ZIB 2: Soziologin Durnova zum Fico-Attentat
ORF