Große Menschenmenge
Aufnahme aus Tabriz, wo die Särge durch die Menschenmenge gefahren wurden.
AP/Ata Dadashi

Teheran – Nach dem Tod des bei einem Hubschrauberabsturz verunglückten iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi haben die mehrtägigen Trauerfeierlichkeiten begonnen. In Tabriz im Nordwesten des Iran versammelten sich am Dienstag in der Früh tausende Menschen zu einer Zeremonie für Raisi, Außenminister Hossein Amirabdollahian und die übrigen Absturzopfer, wie das iranische Staatsfernsehen berichtete. Viele von ihnen trugen Porträts der Verstorbenen. Andere Menschen, die sich auf dem zentralen Platz der Stadt versammelten, schwenkten Fahnen, wie Bilder der Nachrichtenagentur AFP zeigten. Auf einem Lastwagen wurden die mit der iranischen Flagge bedeckten Särge durch die Menschenmenge gefahren.

Von Tabriz aus wird Raisis Leichnam am Dienstag in den schiitischen Wallfahrtsort Qom geflogen, bevor er am Abend in die Hauptstadt Teheran übergeführt wird. Dort ist für Mittwoch ein Trauerzug geplant, gefolgt von einer Zeremonie in Raisis Heimatstadt Mashhad im Nordosten des Landes am Donnerstag.

Raisi wurde 1960 in Maschhad geboren und war über drei Jahrzehnte in der zentralen Justizbehörde des Landes tätig. 2019 wurde er zum Justizchef ernannt. In seiner früheren Funktion als Staatsanwalt soll er 1988 für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sein, weshalb ihn seine Gegner "Schlächter von Teheran" nannten.

Anders als in vielen Ländern ist der Präsident im Iran nicht das Staatsoberhaupt, sondern bloß Regierungschef. Die eigentliche Macht konzentriert sich auf den Religionsführer, der in allen strategischen Belangen das letzte Wort hat. Seit 1989 ist das Ajatollah Ali Khamenei.

Video: Trauerfeierlichkeiten für iranischen Präsidenten Raisi begonnen
AFP

Präsidentenwahl am 28. Juni

Die Staatsführung rief eine fünftägige Staatstrauer aus. Zum Interimspräsidenten wurde Raisis bisheriger Stellvertreter Mohammad Mokhber ernannt. Die Spitzen von Regierung, Parlament und Justiz legten den 28. Juni als Termin für die Präsidentenwahl fest. Ein Anwärter auf das Präsidentenamt zeichnete sich zunächst nicht ab.

Hubschrauberabsturz

Raisi und Amirabdollahian waren am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Gesicherte Informationen über die Ursache des Absturzes, bei dem auch alle weiteren sieben Insassen des Helikopters starben, gibt es bisher nicht. Der Armeechef des Landes, General Mohammed Bagheri, ordnete eine gründliche Untersuchung an und stellte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Isna im Verteidigungsministerium ein technisch hochversiertes Team zusammen.

Seit dem Absturz wird im Iran darüber spekuliert, ob schlechtes Wetter, ein technischer Defekt oder gar ein Sabotageakt des Erzfeindes Israel für den Vorfall verantwortlich gewesen sein könnte. Zum fraglichen Zeitpunkt herrschte dichter Nebel, der Präsidenten-Helikopter vom Typ Bell 212 war über 40 Jahre alt. Weitere zwei Hubschrauber der iranischen Delegation, die sich auf dem Rückweg von einem Termin in Aserbaidschan befand, erreichten sicher ihr Ziel.

Irans Luftwaffe gilt als stark veraltet, ihre Modernisierung kommt angesichts scharfer internationaler Sanktionen kaum voran, neues Gerät und Ersatzteile sind schwer zu beschaffen. Viele der Flugzeuge und Helikopter stammen noch aus der Zeit vor der Islamischen Revolution von 1979, als das Land enge Beziehungen zu den USA unterhielt.

Reaktionen

Die Verbündeten Teherans – unter ihnen Russland und China – kondolierten nach dem Tod der Politiker, aus westlichen Ländern kamen eher verhaltene Reaktionen. Die US-Regierung bekundete zwar ihr Beileid, begleitete dies aber mit einem Hinweis auf die Menschenrechtslage im Iran. "Während der Iran einen neuen Präsidenten wählt, bekräftigen wir unsere Unterstützung für das iranische Volk und seinen Kampf für Menschenrechte und Grundfreiheiten", teilte US-Außenminister Antony Blinken am Montag in einer schriftlichen Stellungnahme mit.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte, Raisi sei für grausame Menschenrechtsverletzungen in seinem Land verantwortlich gewesen, ebenso für die Unterstützung von Terrornetzwerken in der gesamten Region. "Keine Frage – das war ein Mann, der eine Menge Blut an seinen Händen hatte." Die US-Regierung bedaure aber generell den Verlust von Menschenleben und habe daher offiziell ihr Beileid ausgesprochen. Dies sei übliche Praxis. Von der österreichischen Bundesregierung kam zunächst keine Reaktion.

Schadenfreude

Experten hatten Raisi zwischenzeitlich auch als möglichen Nachfolger für den nunmehr 85 Jahre alten Religionsführer Khamenei gehandelt. Auch wenn sich insbesondere die Kritik der jungen Generation inzwischen immer mehr gegen das gesamte System der Islamischen Republik richtet, stand Raisi als Gesicht der Regierung innenpolitisch besonders unter Druck. Unter ihm wurde zuletzt auch der umstrittene Kurs bei der Verfolgung des Kopftuchzwangs vorangetrieben, der Teile der Bevölkerung noch mehr gegen den staatlichen Machtapparat aufbrachte. In sozialen Medien reagierten zahlreiche Iranerinnen und Iraner mit Schadenfreude auf die Nachricht vom Tod des Präsidenten.

93-Jähriger zum Vorsitzenden des Expertenrats gewählt

Ein 93 Jahre alter schiitischer Geistlicher ist unterdessen zum Vorsitzenden des einflussreichen Expertenrats gewählt worden. Der erzkonservative Prediger Mohammad-Ali Kermani sei am Dienstag für eine Amtsdauer von zwei Jahren gewählt worden, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Isna. Er löst den früheren Vorsitzenden und inzwischen 97 Jahre alten Ahmad Jannati ab. Dem auf acht Jahre gewählten Gremium gehören 88 schiitische Geistliche an, die im Todesfall die Nachfolge des Religionsführers bestimmen. Zwei Mitglieder des Rats sind jedoch am Wochenende bei dem Helikopterunfall ums Leben gekommen: Präsident Ebrahim Raisi und Mohammad-Ali Ale-Hashem, Freitagsprediger aus der Metropole Tabriz.

Irans Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei gilt als mächtigster Mann im Iran, im April wurde das Staatsoberhaupt bereits 85 Jahre alt. Der Expertenrat wurde gleichzeitig mit der diesjährigen Parlamentswahl vom Volk neu bestimmt. Für Kritik sorgte vor den Wahlen die Disqualifikation des moderaten Ex-Präsidenten Hassan Ruhani, der mehr als 20 Jahre Mitglied des Expertenrats war. (APA, 21.5.2024)