Bassist Robert Trujillo und Sänger James Hetfield von der US-amerikanischen Rockband Metallica beim routinierten Auszucken.
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"Geography is a dog", wie der Amerikaner sagt. Wobei selbst so mancher Österreicher Schwächen zeigt, wenn er in die Umrisse des eigenen Landes die Bundesländer einzeichnen soll. Da will man dem alle Kontinente rockenden James Hetfield nicht gleich einen Fünfer ins Zeugnis malen. Er hat sich bemüht und das Naheliegende erwähnt.

Mit "Hello Vienna" begrüßte er am Samstagabend das Publikum, als er mit der von ihm mitgegründeten Glaubensgemeinschaft Metallica daranging, einschlägige Segnungen vorzunehmen. Kann man verstehen. Ebreichsdorf auf Englisch klingt womöglich zu schwarzeneggerisch, und Lokalpatriotismus ist als B-Zug des Patriotismus ohnehin komplett lächerlich.

Satan sei Dank

Metallica also. Aktuell ist die US-Band auf Kollekte durch Europa unterwegs, 60.000 Anhänger des strengen Ordens mit Wurzeln im Thrash-Metal kamen nach Lower Austria, um sich zwei Stunden lang einschlägig bestätigen zu lassen. Die Anreise verlief ohne nennenswerte Staus, der Regen blieb aus, Satan sei Dank. Es waren andere Flüssigkeiten, die Probleme bereiteten. Denn es bestätigte sich der Sinnspruch: Ist kein Klo in der Nähe, nässt der Bauer auf die Ähre. Wobei "nässt" als Euphemismus für das den Lesern unzumutbare Brunzen herhalten muss – hoppla.

Gitarrist Kirk Hammett.
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Zwar gab es am Gelände des Racino etliche Entleerungszellen, doch die schienen in keiner Relation zu den Bedürfnissen des schluckspechtigen Publikums zu stehen. Das führte dazu, dass Hundertschaften von Besuchern Gebiete markierten, die nicht ihre waren. Das beherrschtere Publikum bildete vor den Toiletten lange Schlangen. Dass über den begehrten Kabinen ein Schild den Weg zum "Golden Circle" wies, erschien auf seine Art perfide, so als sei das Paradies aller Notdürftigen greifbar nahe, dabei beschrieb es nur den Weg in einen Publikumsbereich vor der Bühne.

Übliche Folklore

Ansonsten herrschte die übliche Folklore, die Großkonzerte hierzulande stets begleitet: Gängige Schwächesyndrome wie der Serpentinengang auf geraden Strecken waren zu beobachten, T-Shirts mit höllischen Versprechungen, und das gute alte Konzertgilet mit unzähligen, von der Mutti brav aufgenähten Bandlogos ist immer noch nicht ausgestorben, falls diese Frage jemanden beschäftigt hat.

Kurz vor neun ging die Predigt endlich los. Nachdem der AC/DC-Song It's a Long Way to the Top (If You Wanna Rock'n'Roll) ertönt war, lief noch Ennio Morricones The Ecstasy of Gold vom Band, schließlich krachte es, und Metallica eröffneten mit Whiplash, ihrer ersten Single aus dem Jahre Schnee (1983).

"Hearst, spü lauter!" ...
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Die Luftgitarristen im Publikum solierten sogleich, andere knüppelten mit den Zeigefingern auf imaginäre Trommeln, denn Lars Ulrich, der Drummer von Metallica, ist laut Einschätzung vieler Trockenschwimmer an den Fellen ein Trockenschwimmer an den Fellen, da hilft man gerne aus.

Höllische Glocken

Höllische Glocken auf den Videowänden deuten nach Creeping Death das literarisch geküsste For Whom the Bell Tolls an, das der Vierer in druckvoller Perfektion ins Feld knüppelte. Wobei, wenn man weiter hinten stand, wurde der Sound mitunter vom Winde verweht, wie ein Steppenläufer in einem Sergio-Leone-Western. Darüber musste man aber nicht in tiefe Meditation verfallen, denn Enter Sandman ließ das Publikum gleich darauf frohlocken, ein Blockbuster in der Setlist, von dem man noch zehrte, als längst 72 Seasons gegeben wurde.

Bei einer über 40 Jahre existierenden Band mit mindestens zwei Generationen von Fans muss aus jeder Ära etwas geboten werden. Das taten Metallica mit der üblichen Präzision, mit dem üblichen Druck, mit der üblichen ausgestellten Hingabe – und mag die noch so routiniert sein.

... "Okay, okay!"
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Sie spielten das brutale Lied, das harte, das brutal harte und das urarge brutal harte. Dazwischen höheren Unfug wie den angedeuteten Kommissar von Falco als Hommage an den großen Ebreichsdorfer Hans Hölzel – oder war der Wiener? Und es gab mit Nothing Else Matters die Ballade für die Überkopfgymnastik mit dem Nichtraucherfeuerzeug, dem Handy.

Am Ende waren es 15 Songs gewesen mit Master of Puppets zum Abgang – und es hat die nicht vollkommen überraschende Einsicht gebracht, dass Metallica Metallica sind. Und die liefern jedes Mal. Nie schlecht, aber selten herausragend. Eine ganz normale Predigt für die Gemeinde von Großwien. (Karl Fluch, 2.6.2024)