Gertrud Schönberg war die zweite Ehefrau des Komponisten. Sie schriebdas Libretto für "Von heute auf morgen".
Arnold Schönberg Center, Wien

Noch 150 Jahre nach seiner Geburt klebt an Arnold Schönberg, dem Pionier der Zwölftonkunst, das Stigma des kühl kalkulierenden Musikmathematikers. Eine Ausstellung ist diesbezüglich nun um Imagekorrektur bemüht: Mit Schönberg Liebe hören, ab dem heutigen Mittwoch im Arnold Schönberg Center zu begutachten, präsentiert den Neutöner als Gefühlsmenschen. Mehr als 100 Exponate beleuchten die Liebesgeschichten und Heiratssachen im Leben des Musikpioniers – und wie sich diese amourösen Energien kreativ niederschlugen.

Dabei geht es nicht nur um Musik. Gleich die erste Vitrine beherbergt überraschende Liebesgaben aus der Hand Schönbergs – nämlich Bridgekarten, die er für seine Familie gestaltet und mit putzigen Karikaturen illustriert hat. Verblüffend auch das handwerkliche Talent des Musikers: Seinem Sohn Georg hat er zum vierten Geburtstag eine elegante Box gezimmert. Einige Arbeiten des Teilzeitmalers Schönbergs sind ebenso zu bestaunen, darunter ein halbabstraktes Gemälde namens Fleisch.

In der Hauptsache prangen auf den langen Tischen des Ausstellungsraums jedoch handschriftliche Noten – allesamt Belege dafür, dass Schönberg trotz seiner Intellektualität Musik schrieb, die er in seinem "Herzen fühle", wie er einmal sagte. Das beginnt mit dem frühen Lied In hellen Träumen hab ich dich oft geschaut, setzt sich fort in der (vergleichsweise) populären Verklärten Nacht nach einem Gedicht Richard Dehmels und führt bis zu Raritäten wie Die glückliche Hand – einem aufwendigen Musiktheater, das 1924 an der Volksoper in ein Finanzdebakel mündete.

Pastellmalerei eines Frauengesichts 
Eine selbstgezeichnete Bridgekarte Arnold Schönbergs. Das dürfte die Herzdame sein.
Arnold Schönberg Center, Wien

Verhängnisvolle Affäre

Apropos Debakel: Ein solches erlebte Schönberg auch, als er feststellen musste, dass er mit dem Künstler Richard Gerstl nicht nur diverse Malmittel teilte, sondern auch seine Ehefrau Mathilde. Nach dem Auffliegen der Affäre 1908 kehrte Mathilde an die Seite ihres Mannes zurück, Gerstl jedoch beging Suizid. Eine Tragödie, an die Alexander Zemlinskys Lied Als ihr Geliebter schied schmerzlich erinnerte. Schönberg hat dieses Stück – wohl innerlich aufgewühlt – dirigiert.

Wie gefühlstrunken sich der Komponist – in einem positiven Sinn – gebärden konnte, offenbaren Zeugnisse seiner zweiten Ehe. Zu den Liebesgaben an Gattin Gertrud zählten nicht nur Noten, sondern auch Postkarten mit schelmischem Pseudonym: "Mein liebster Schatz, 1000 Bussi als Morgengruß von Deinem Montebello", schrieb ihr Schönberg auf einem gemeinsamen Urlaub in der italienischen Schweiz. Es blieb in dieser Ehe nicht bei privaten Pointen: Das Duo sollte auch ein launiges Opernwerk hervorbringen, schrieb Gertrud doch das Libretto für Von heute auf morgen. Kleines Manko der Schau? Dass sie Schönbergs Jahre in den USA nicht beleuchtet. "Da ist mir der Tisch ausgegangen", gesteht Kuratorin Therese Muxeneder. Nun ja, vielleicht ein andermal. (Christoph Irrgeher, 29.5.2024)