"Seien Sie sicher, Sie erreichen bei uns ein interessiertes Publikum“, beruhigt Moderator Reiner Reitsamer. Das Duell "Newcomerin" versus "alter EU-Hase" – so leitete ORF-3-Moderator Reitsamer das Gespräch mit Lena Schilling und Harald Vilimsky Donnerstagnachmittag ein – begann mit einer Kritik am ORF. Vilimsky findet es nämlich nicht so toll, dass diese "sehr wichtige Duell-Geschichte" im "schwächsten ORF-Kanal versteckt wird". Später wird er noch öfter recht pampig in Richtung ORF schimpfen. Für Schilling hat er zumindest am Anfang dieses Duells wertschätzende Worte übrig. Sie stehe zu ihrer Überzeugung, habe "Mut und Rückgrat".

Lena Schilling und Harald Vilimsky waren Dienstagnachmittag zu Gast bei Reiner Reitsamer in ORF 3.
Lena Schilling und Harald Vilimsky waren Dienstagnachmittag zu Gast bei Reiner Reitsamer in ORF 3.
Screenshot: ORF On

Bei den Inhalten war es dann freilich vorbei mit den Schmeicheleien. Das Klimathema sieht er nicht prioritär, E-Mobilität oder günstige Gasleitungen zu kappen spiele der Atomenergie in die Hände, argumentiert er, lieber den "irrwitzigen Verkehr" – etwa den Transport von Erdäpfeln – quer durch den Kontinent redimensionieren. Er vertrete Autofahrerinteressen und Individualverkehr, will aber erneuerbare Energie wie Solar oder Wasserkraft, aber eher keine Windräder. Gas aus Russland sieht Vilimsky nicht so problematisch, "wir müssen Energie leistbar machen, da ist russisches Gas – ungeachtet der der Ideologie, die dort herrscht – eine Möglichkeit".

Atomkraft "nicht grün"

"Es gibt einen Angriffskrieg, wir finanzieren das russische Regime über die Bande mit. Das ist keine Lösung", entgegnet Schilling. Beim Klimathema ist die grüne Kandidatin in ihrem Element: Es gehe um unsere Lebensgrundlage, um saubere Luft, sauberes Wasser. Und darum, Menschen die Möglichkeit zu geben, anders zu reisen. Ihre Vorschläge: Züge billiger machen, Menschen sollen Wahlfreiheit haben. Atomkraft ist für sie nicht grün und "keine Option".

Warum ist die Stimmung generell so aufgeladen, wer ist schuld daran? Vielleicht Politiker wie Harald Vilimsky?, fragt Reitsamer und zählte zuvor Übergriffe auf Politiker und Politikerinnen in Deutschland oder auf Fico in der Slowakei auf. Schilling sieht multiple Krisen, die das Leben schwieriger machen. Aber auch durch "Wordings" – hier schaut sie Vilimsky direkt an – der rechten Parteien und dass eine Sprache verwendet werde, die Gewalt in sich trage. Sie würde das nicht nur Vilimsky zuschreiben, sondern eher Kickl, wenn der über politische Fahndungslisten spricht.

"Das ist mehr als letztklassig": FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky greift Moderator Reitsamer an.
Screenshot. ORF On

Vilimskys ORF-Bashing

Vilimsky geht hier wieder in den Angriffsmodus auf den ORF, sieht in Reitsamers Fragestellung "eine Frechheit der Sonderklasse, dass sie mich mitverantwortlich machen für Mordanschläge in der Slowakei". Als ORF könne er das nicht tun, "das ist mehr als letztklassig". "Unanständig" fällt ihm auch noch zu Reitsamers Moderation ein, er solle sich "schämen", rät Vilimsky. Reitsamer bleibt ruhig, bittet um eine Antwort auf die Frage zu den Fahndungslisten, die dann so lautet: "Es geht darum, jene Personen zu identifizieren, die gegen das Interesse Österreichs agieren."

Schilling sieht etwa die Aussagen von politischen Fahndungslisten als rechtsextrem. Meinungsvielfalt sei wichtig, sich zu streiten auch. "Aber wenn es menschenverachtend wird, wenn es zu Hass wird, dann gibt es ein ernsthaftes Problem." Vilimsky ortet auch bei den Grünen "extremistische Strömungen", auch wenn die Partei "nicht extremistisch" sei. Die Politik der Grünen sei aber eine, die auf eine mögliche Ausschaltung von Österreich abziele, weil sie das "Modell der Vereinigten Staaten von Europa" vorantreiben würden. "Immer wenn es darum geht, Österreich zu stärken, sind die Grünen dagegen", so Vilimsky. Spätestens hier ist Vilimsky dann vollends im Wahlkampfmodus ("FPÖ steht für ein starkes Rot-Weiß-Rot"). "Ich bin Meidlingerin, ich bin Österreicherin, und trotzdem bin ich Europäerin", sagt Schilling, "geht sich alles aus", lächelt Schilling Vilimskys Aggressionen weg.

Lena Schilling
Die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling: "Ich bin Meidlingerin, ich bin Österreicherin, und trotzdem bin ich Europäerin."
Sceenshot: ORF On

Freunde werden Reitsamer und Vilimsky wohl nicht mehr. Auch bei Fragen rund um den Ausschluss der AfD aus der rechten ID-Fraktion und bei Aussagen von Maximilian Krah gibt's – gelinde gesagt – Irritationen. Reitsamers Frage ("Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Hinter den Aussagen von Krah stehen Sie nicht?") regt Vilimsky auf. "Das habe ich, glaube ich, fünfmal gesagt. Vielleicht können Sie es an alle andere ORF-Moderatoren weitergeben."

Mögliche Zusammenarbeit beim Tierschutz

Später findet er noch eine Frage von Reitsamer "lustig". Der ORF-3-Moderator will wissen, warum er gegen den Migrationspakt sei, denn der würde ja darauf abzielen, illegale Migration einzudämmen. Der Pakt würde nichts eindämmen, so der FPÖ-Spitzenkandidat, "wir müssen schauen, dass Personen, die Asyl begehren, nicht nach Europa kommen. Weil die Leute hier einfach nicht mehr weggehen." Auch die Grünen sind gegen das Migrationspaket, wenn auch natürlich aus anderen Gründen: "Eine sinnvolle Migrationspolitik kann nur eine menschliche sein", so Schilling.

Was könnte die FPÖ gemeinsam mit den Grünen im EU-Parlament umsetzen, versucht Reitsamer einen versöhnlichen Abschluss. "Mehr Tierschutz", fällt Vilimsky da nach kurzem Nachdenken ein, er sei aber auch offen, wenn es darum gehe, die EU in ihrer Größe zu "redimensionieren". Vielleicht sei "Tierschutz ein Thema, wo man sich treffen kann", sagt auch Schilling, das sei vielleicht "ein kleiner Punkt, der uns eint", so Schilling, "aber wir haben ganz unterschiedliche Vorstellungen davon, wie ein geeintes Europa und wie ein starkes Österreich ausschauen soll". (Astrid Ebenführer, 28.5.2024)