Ein Mann mit einem Hund geht an einem Wohnkomplex der Evergrande-Gruppe in Peking vorbei.
Evergrande hat den Anfang gemacht, andere Immo-Konzerne sind gefolgt: Es fehlt Geld, um Projekte fertigzustellen und Schulden zu bedienen. Ein Teufelskreis, aus dem die Konzerne nicht herauskommen.
AFP/GREG BAKER

Die Immobilienkrise in China hat sich verfestigt. Die großen Konzerne finden aus ihren Troubles kaum einen Ausweg. Der Entwickler Evergrande hat nun mitgeteilt, dass es bei der Verwertung von Vermögenswerten nur zu einer "bescheidenen Realisierung" gekommen sei. Die "Liquidität und andere interne Ressourcen des angeschlagenen Entwicklers bleiben damit begrenzt", heißt es. Nun werden Investoren für eine Umstrukturierung gesucht. Doch auch das wird keine leichte Aufgabe. Denn "angesichts der Verschuldung des Unternehmens und der Herausforderungen, denen sich das Geschäft und der Betrieb der Gruppe gegenübersehen, sehen die Liquidatoren in Ermangelung substanzieller Neuinvestitionen in das Unternehmen derzeit keinen Weg zu einer Umstrukturierung, die es dem Unternehmen ermöglichen würde, die Wiederaufnahmerichtlinien zu erfüllen", heißt es.

Anfang dieses Jahres wurde Evergrande, der am höchsten verschuldete Immobilienentwickler der Welt, zur Liquidation verurteilt, nachdem es keinen konkreten Umstrukturierungsplan vorlegen konnte. Dies geschah mehr als zwei Jahre, nachdem der Konzern Offshore-Schulden nicht bezahlt hat und mehrere Gerichtsverhandlungen folgten. Der Handel der Aktie bleibt weiterhin ausgesetzt.

Keine Besserung in Sicht

Das konjunkturelle Umfeld lässt derzeit kaum auf eine Erholung des Sektors schließen. Die Immobilienpreise fallen, Bauträger sind im Zahlungsverzug und die Menschen wütend. Viele von ihnen haben ihr Geld in Wohnprojekte investiert, die nun nicht finalisiert werden können. Die Sorge ist groß, dass ein totaler Zusammenbruch des Marktes die bereits schwächelnde Wirtschaft in den Abgrund reißen könnte. Doch der Sektor soll zumindest stabilisiert werden. Die People’s Bank of China (PBoC) hat im Mai 42 Milliarden Dollar an Fördermitteln freigegeben, um lokalen Regierungen dabei zu helfen, überschüssige Bestände von Bauträgern aufzukaufen. Pilotprogramme ähnlicher Art liefen im vergangenen Jahr in acht chinesischen Städten, berichtet Bloomberg.

Doch die Wirkung auf den Sektor war sehr begrenzt. Denn einerseits sorgen sich die Lokalregierungen vor weiteren Schulden. Zudem wollen Bauträger und Hausbesitzer nicht zu einem reduzierten Preis verkaufen. Schwierig macht das Vorhaben auch, dass Banken in diesem Geschäft keinen großen Gewinn sehen. Laut PBOC und Berichten von staatlichen Medien hat die Bank für einen Versuchsplan 13,8 Milliarden Dollar (100 Milliarden Yuan) freigegeben. Wie viel davon tatsächlich verliehen wurde, ist nicht klar. Eine mit der Situation vertraute Person sagte Bloomberg, die Gesamtsumme liege deutlich über der Zahl von zwei Milliarden Yuan, die die Zentralbank Ende März öffentlich bekanntgab. Einer separaten Ankündigung der PBOC sowie staatlichen Medienberichten zufolge haben fünf der Pilotstädte – Fuzhou, Jinan, Tianjin, Qingdao und Chongqing – zusammen mindestens 4,4 Milliarden Yuan geliehen.

Eine Frage des Preises

"Der Erwerb bestehender Bestände erfordert viele Verhandlungen, um die Interessen verschiedener Gruppen auszugleichen", sagte Jacqueline Rong, Chefvolkswirtin für China bei BNP Paribas SA. Die lokalen Behörden müssen die von ihnen gekauften Immobilien in bezahlbaren Mietwohnungsbau umwandeln. Das ist ebenfalls eine Herausforderung. Die Lokalregierungen bekommen die finanziellen Mittel von der PBOC zu einem Zinssatz von 1,75 Prozent, die Banken müssen den Städten Kredite zu drei Prozent und weniger gewähren. Doch die Mietrenditen in Orten wie Peking, Guangzhou und Shenzhen sind laut Berechnungen von Analysten der Tianfeng Securities Co. noch niedriger – da hilft es auch wenig, wenn die Kreditkosten durch Subventionen gesenkt werden. Zudem könnte die Umwidmung in Sozialwohnungen die Preise anderer Wohnungen im selben Projekt und der umliegenden Region drücken. Beschwerden der Eigentümer könnten die Folge sein.

Experten gehen sogar davon aus, dass es für Lokalregierungen daher attraktiver sein könnte, bezahlbaren Wohnraum durch den Bau neuer Wohnungen bereitzustellen. Das würde Arbeitsplätze schaffen und das Wirtschaftswachstum mehr ankurbeln als der Kauf alter Wohnungen.

Bei der neuen landesweiten Initiative steht also viel auf dem Spiel. Peking muss die Immobilienkrise in den Griff bekommen, denn ohne den Beitrag des Immo-Sektors zum BIP hängt Chinas Wirtschaft stark am Export. Das ist gerade jetzt gefährlich, da der Handelskrieg mit den USA wieder aufflammt. So werden beispielsweise E-Autos aus China in den USA mit Strafzöllen von hundert Prozent belegt. Auch die EU erwägt Strafzölle auf chinesische E-Autos. Die USA kämpfen auch darum, dass China von der Technologie zum Bau hochmoderner Chips abgeschnitten wird. (bpf, 29.5.2024)