Die Folgen des Klimawandels sind längst unübersehbar. Neben den notwendigen Klimaschutzmaßnahmen gewinnt daher auch die Anpassung an die Klimafolgen immer mehr Bedeutung. Das gilt auf vielen Ebenen – nicht zuletzt unsere Psyche hat mit den veränderten Umweltbedingungen zu kämpfen. Die Wissenschaft unterscheidet inzwischen ein breites Spektrum an Klimaemotionen, die von Klimascham und Klimawut bis Klimahoffnung und Klimaangst reichen.

Klimademonstration
Fridays for Future tun ihren Unmut über fehlende Klimapolitik regelmäßig kund – im Bild eine Demonstration in Siegen, Deutschland, Ende Mai.
IMAGO/Rene Traut

Der Psychotherapiewissenschafter Paolo Raile hat in den vergangenen Jahren mehrere Bücher zum Thema Klimaangst geschrieben. "Klimaangst empfindet man, wenn man mit den Auswirkungen der globalen klimatischen Veränderungen konfrontiert ist", sagt er und unterstreicht auch den Unterschied zu krankhaften Ängsten: "Klimaangst ist nicht pathologisch, sondern real. So real wie wenn man Angst verspürt, wenn man einem Tiger gegenübersteht."

Angst als angemessene Reaktion

Auch Anika Heck, eine Psychologin und Verhaltenstherapeutin aus Deutschland, die sich seit drei Jahren bei Psychologists/Psychotherapists for Future engagiert, bestätigt diese Unterscheidung: "Tatsächlich ist Klimaangst aus psychologischer Sicht eine ganz natürliche und angemessene Reaktion darauf, wenn man sich mit der Klimakrise auseinandersetzt." Sie erklärt auch die verschiedenen möglichen Auswirkungen: "Der Einfluss dieser Emotionen hängt sehr stark von deren Intensität ab. Es gibt Menschen, die Sorge verspüren oder wegen Klimaangst schlecht schlafen. Es werden auch deren Lebensentscheidungen davon beeinflusst. Zum Beispiel wollen manche keine Kinder mehr bekommen, weil sie Angst vor der Zukunft haben. In Ausnahmefällen kann das dazu führen, dass Menschen so starke Angst empfinden, sodass sie in ihrem Alltag eingeschränkt werden."

Laut der Therapeutin verspüren viele Menschen auch Wut über aus ihrer Sicht untätige Institutionen und Politiker und Politikerinnen oder aufgrund der Ignoranz anderer gegenüber dem Klimawandel. Außerdem gibt es die Klimatrauer, die sogenannte Solastalgie, über den Verlust von Naturräumen, Lebensstandards und Zukunftsperspektiven.

Junge Betroffene

Wer Klimaangst und verwandte Gefühle verspürt, ist ziemlich eindeutig. "Klimaangst kann Menschen aus allen sozialen Schichten und Altern betreffen und hat vor allem damit zu tun, wie sehr man sich mit der Klimakrise beschäftigt", sagt Heck. "Aber es betrifft insbesondere junge Menschen, da diese mehr auf die Zukunft ausgerichtet sind." Das liegt auch daran, dass junge Menschen noch viele größere Lebensentscheidungen vor sich haben, wie beispielsweise die Berufswahl (Wird es diesen Beruf noch geben, oder wird er noch relevant sein?), Investitionen (Lohnt es sich ein Haus zu kaufen und wo?) oder den Kinderwunsch (Darf ich ein Kind in so eine potenziell gefährliche Welt setzen?).

Eine umfassende Studie im Journal The Lancet Planetary Health von 2021 bestätigt diesen Trend. In dieser wurden 10.000 Menschen auf der ganzen Welt im Alter von 16 bis 25 Jahren befragt. Die Ergebnisse zeigten, dass 84 Prozent der Befragten zumindest moderat und 59 Prozent sogar sehr oder extrem über den Klimawandel besorgt sind. Mehr als die Hälfte berichtete auch negative Emotionen wie Trauer, Angst, Wut, Hilflosigkeit und Wut, und fast die Hälfte aller Befragten gab an, dass diese Gefühle ihren Alltag beeinflussen.

Eine neue Studie im selben Fachjournal von 2024 gab zu bedenken, dass die Auswirkungen der globalen Umwelt- und Klimakrisen zwar vor allem in Ländern des Globalen Südens zu spüren sind, doch die meisten Untersuchungen zu deren emotionalen Auswirkungen bisher in Ländern des Globalen Nordens durchgeführt wurden. Diese Lücke hindere die Entwicklung von wissenschaftlich basierten und kulturell angepassten Bewältigungsstrategien. Die Studie in The Journal of Climate Change and Health betont ebenso, dass insbesondere die Perspektiven indigener Bevölkerungsgruppen in Untersuchungen zu Klimaemotionen unterrepräsentiert sind.

Was man tun kann

Raile umreißt die verschiedenen Bewältigungsstrategien der Klimaangst: "Welche Herangehensweise hilft, hängt stark von der einzelnen Person ab. Wenn jemand gut auf Selbstwirksamkeit anspricht und Selbstvertrauen hat, kann Aktivismus eher helfen. Wenn man eher ängstlich ist, helfen Supportgruppen oder auch Psychotherapie mehr."

Durch Aktivismus und gemeinsames Handeln können Betroffene Selbstwirksamkeit erleben und Gleichgesinnte treffen. Doch können frustrierende Erlebnisse und übermäßige Verausgabung auch zu Burnout führen. Heck bestätigt diese Einschätzung aus ihrer Erfahrung: "Auch wenn individuelles Verhalten wichtig ist, reicht es für die psychische Gesundheit nicht, wenn man ganz allein zu Hause seine Ernährung umstellt und das Auto stehen lässt. Es ist wichtig, andere engagierte Menschen zu finden, mit denen man die Angst teilen kann und die das verstehen."

Versorgungslücken

Für Menschen, deren Alltag durch Klimaangst besonders stark beeinträchtigt wird, gibt es die Möglichkeit der professionellen therapeutischen Behandlung. Hierbei gibt Raile jedoch zu bedenken: "Gerade bei psychotherapeutischer Versorgung gibt es einen Mangel an Therapeutinnen und Therapeuten, die sich mit dem Thema Klimaemotionen auskennen. Da muss noch nachgeschärft und das Thema an die Öffentlichkeit gebracht werden."

Zusammen mit etwa 1000 Kolleginnen und Kollegen in Deutschland, Österreich und der Schweiz arbeitet Heck bei Psychologists/Psychotherapists for Future daran, den Umgang mit diesen Gefühlen zu verbessern. Sie organisieren Gruppen für Betroffene, geben Schulungen und beraten einzelne besonders stark betroffene Individuen. Sie erklärt ihren Zugang: "Früher hat man eher versucht, den Menschen Hoffnung zu machen, zum Beispiel, indem man sagt, dass man andere Parteien wählen könnte, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Inzwischen sind wir eher dazu übergegangen, zu sagen, dass es so oder so schlimm wird, aber auch Lösungen hervorzuheben, welche an der Wurzel des Problems nachhaltig ansetzen." (Thomas Zauner, 13.6.2024)