Jacob Zuma mit erhobenen Händen
Ex-Präsident Jacob Zuma bei der Stimmabgabe in Nkandla.
REUTERS/Rogan Ward

Die Abschiedsworte von Jacob Zuma sind sechs Jahre her und klingen plötzlich wie eine drohende Prophezeiung. "Wir werden uns wiedersehen, irgendwo", sagte der Politiker bei seinem widerwilligen Rücktritt als Präsident, zu dem ihn der African National Congress (ANC) nach einigen der größten Korruptionsskandale in Südafrikas Geschichte gedrängt hatte. Der Schaden seiner Staatsplünderung wird auf 50 Milliarden Euro geschätzt.

Nun ist Zuma zurück, mit nunmehr 82 Jahren vehementer, als er es wohl selbst für möglich gehalten hätte. Seine erst vor neun Monaten registrierte Partei MK ist der Hauptgrund für den historischen Absturz des ANC, der nach den Wahlen am vergangenen Mittwoch erstmals die absolute Mehrheit verfehlen wird. Und das wohl deutlich.

Politischer Erdrutsch

Bei Redaktionsschluss am Freitagnachmittag, als rund zwei Drittel der Stimmen ausgezählt waren, lag der ANC bei 42 Prozent. Mehr als 45 Prozent, so die Hochrechnungen, werden es auch beim bis Sonntag erwarteten offiziellen Endergebnis nicht mehr werden. Damit bleibt der ANC zwar stärkste Partei, hat aber im Vergleich zu vor fünf Jahren (57 Prozent) jeden vierten Wähler verloren. Ein politischer Erdrutsch in Afrikas geopolitisch wichtigstem Land.

Die MK wird dagegen in der zweitbevölkerungsreichsten Provinz KwaZulu-Natal (KZN) den ANC als stärkste Partei ablösen und trägt zudem zu den enormen Verlusten des ANC im Großraum Johannesburg bei, dem angeschlagenen Wirtschaftsherz des Landes. National wird die MK-Partei wohl locker die Zehn-Prozent-Marke knacken. Fast alle seine Wähler – und auch so mancher Parteistratege – kommen vom ANC. Zuma hat der Partei einen überraschend hohen Anteil der Zulu-Wähler entrissen. Auf die größte Ethnie des Landes hat er seit Jahrzehnten erheblichen Einfluss.

Zuma will Todesstrafe zurück

Für den Populisten ist es eine späte Rache an seinem Nachfolger an der Staatsspitze, Cyril Ramaphosa, den er als Handlanger der weißen Minderheit diskreditiert. Und letztlich eine Rache am Staat selbst, den er um seine stabilsten Pfeiler bringen will: die Verfassung und eine unabhängige Justiz. Ein Gericht hatte Zuma vor drei Jahren wegen einer verweigerten Aussage zur systematischen Unterwanderung des Staatsapparats ins Gefängnis gesteckt. Und noch immer läuft ein Prozess gegen ihn wegen Korruption bei staatlichen Waffenkäufen, in die er verwickelt war. Das ist ein Vierteljahrhundert her. Und markiert den Beginn des Verfalls der einst gefeierten Befreiungsorganisation ANC von Nelson Mandela.

Das aktuelle MK-Wahlprogramm offenbart, wie sich Zuma seine neunjährige Präsidentschaft wohl einst ausgemalt hatte: als tribalistische Feudalherrschaft. Da ist von der Abschaffung geheimer Wahlen die Rede, der Einsetzung von Stammesräten, der Wiedereinführung der Todesstrafe, verstaatlichten Banken und Bergbaufirmen.

Man muss Südafrika in Zeiten von weltweit zunehmenden Demokratierückschritten zugutehalten, dass die Nation ihre gesellschaftlichen Konflikte an der Wahlurne austrägt, und das nach aktuellem Erkenntnisstand trotz logistischer Probleme fair und friedlich. Aber dass die antidemokratischen MK-Positionen so viel Resonanz finden, erschreckt auch viele der europäischen Unternehmer im Land. 600 Firmen sind allein aus Deutschland in Südafrika aktiv, das jährliche Handelsvolumen beträgt rund 20 Milliarden Euro, was Südafrika mit Abstand zum wichtigsten bilateralen Handelspartner auf dem Kontinent macht.

Kein Parlamentseinzug

Seit Zumas Stimmabgabe in seinem Heimatdorf Nkandla, wo ihn seine Bodyguards durch die Massen seiner Anhänger schoben, wurde er nicht mehr öffentlich gesehen. Seine Gesundheit gilt als angeschlagen. Ins Parlament wird er nicht einziehen dürfen, das verhindert seine Vorstrafe – noch so ein lästiges Gesetz. Die öffentliche Bühne bei der Auszählung der Stimmen überlässt er in diesen Tagen seiner Tochter. Auch mächtige Posten wie den des Regierungschefs der KZN-Provinz, den die MK als stärkste Partei beanspruchen wird, könnten andere übernehmen. Gut möglich, dass Zuma von seinem Alterssitz, den er einst für 16 Millionen Euro Steuergelder ausbauen hatte lassen, die Strippen ziehen wird. Als der Patriarch von Nkandla.

Doch diese Strippen werden bis in die Hauptstadt Pretoria reichen. Dort wankt Ramaphosa angesichts der Verluste parteiintern. Sollte er fallen und sein von Korruptionsvorwürfen belasteter Vize Paul Mashatile das Präsidentenamt übernehmen, könnte die eher opportunistische als ideologische MK ihr bisher kategorisches Nein zu einer ANC-Koalition womöglich aufgeben. Es ist letztlich eine Splitterpartei, ihre Abkürzung ist dreisterweise eine Abkürzung für "uMkhonto weSizwe", den bewaffneten ANC-Flügel aus Zeiten des Anti-Apartheid-Kampfes.

Man kennt sich also. Zuma hat zudem wohl ganz bewusst darauf bestanden, Mitglied des ANC zu bleiben. Die MK hat mehr politischen Stallgeruch als der alternative Kooperationspartner für den ANC, die linksradikalen Economic Freedom Fighters (EFF). Und natürlich als die Oppositionsführer der bei Weißen populären Democratic Alliance (DA). Selbst dieses Szenario einer großen Koalition wird plötzlich diskutiert, was so mancher Beobachter als eine wirtschaftlich pragmatische Option ansieht. Aber angesichts der kaum vorstellbaren Kompatibilität der Stammwähler auch als eine sehr unwahrscheinliche. Die DA hat allerdings Gesprächsbereitschaft signalisiert. (Christian Putsch, 31.5.2024)