Gigi D'Agostinos Hit ist bereits über 20 Jahre alt. Die umgedichtete Version beinhaltet rassistische Textzeilen, gegen die er sich gerichtlich wehren könnte.
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Im Gastbeitrag erklärt Rechtsanwalt Thomas Höhne, welche rechtlichen Schritte der Musiker setzen könnte.

Wem bisher der Name Gigi D'Agostino nichts sagte (mir zum Beispiel), der kennt ihn jetzt. Genauer: der weiß, dass der Herr D'Agostino, DJ und Musikproduzent, vor mehr als 20 Jahren ein Lied namens L'amour toujours komponiert hat. Von diesem Lied gibt es auch einige Coverversionen, darunter eine deutschsprachige Partyschlager-Version unter dem Titel Wir sind wieder da. Womit wir dem Thema schon ziemlich nahe gekommen sind. Wie mittlerweile allgemein bekannt, grölten einige Angehörige der Sylter Schickeria zu diesem Lied "Ausländer raus, Deutschland den Deutschen", Ähnliches war auch schon zuvor auf diversen Dorffesten und Abiturfeiern zu hören gewesen, und im Februar fanden sich sogar beim Mödlinger Faschingsumzug einige Idioten, die glaubten, einen auf "Sylt" machen zu müssen.

D'Agostino stellte demgegenüber klar, dass es in seinem Lied um Liebe und sonst nichts gehe, "um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das die Menschen verbindet". Aber ist das alles, was der Komponist machen kann, wenn sein Werk auf derart widerwärtige Weise verfremdet wird? Ein Statement abgeben, und das war's dann?

Bewilligung von Urheber?

Will man einen schon erschienenen Song als Coverversion neu einspielen, dann holt man sich die Rechte dazu von der entsprechenden Verwertungsgesellschaft (z. B. Austro Mechana), die auch verpflichtet ist, diese Lizenz zu erteilen. Aber schon, wenn die Coverversion den Gesamtcharakter des Werks beeinträchtigt, bräuchte man die Bewilligung der Urheber. So wehrte sich die Gruppe Rammstein gegen eine Coverversion ihres Songs Engel, da in dieser der ursprüngliche "Mönchs"-Chor (ausgerechnet!) durch Frauenstimmen ersetzt worden war, was allerdings aus rechtlicher Sicht noch keine Beeinträchtigung des Werks darstellte.

Und wenn die Coverversion nicht auf CD gepresst, sondern bloß öffentlich vorgetragen wird? Geschieht das in einem Konzertlokal, so macht der Veranstalter anschließend seine Meldung an die AKM, und aus urheberrechtlicher Sicht ist die Sache damit erledigt. Aber es geht nicht nur um Urheberrecht, es geht auch um die Persönlichkeitsrechte des Autors. Und der muss sich, selbst wenn die abstrakte urheberrechtliche Ebene kein Problem wäre, nicht alles gefallen lassen. So wie sich Helene Fischer gegen die Verwendung ihres Atemlos als Stimmungsmacher bei NPD-Wahlveranstaltungen erfolgreich mit Klage wehrte, könnte sich auch D'Agostino wehren, wenn sein Lied öffentlich auf derartige Weise verfremdet und entstellt wird.

Privat oder öffentlich?

Vielleicht war die ausländerfeindliche Party auf Sylt keine öffentliche Veranstaltung, sondern privat – dann gibt es für den Urheber keine rechtlichen Möglichkeiten, ebenso bei den diversen Abi-Feiern. Privat darf man. Der Mödlinger Faschingsumzug jedoch ist zweifellos eine öffentliche Veranstaltung, und auch das Hochladen des Sylt-Videos (solange es nicht innerhalb einer geschlossenen Nutzergruppe geschieht) ist eine Form der öffentlichen Darbietung. Zulässig wäre dieses Zurverfügungstellen via Internet allerdings, wenn es zum Zweck der Kritik, der Berichterstattung und um eine öffentliche Diskussion zu entfachen geschieht, da würde in der Abwägung wohl die Meinungsäußerungsfreiheit des Hochladenden überwiegen.

Aber grundsätzlich könnte D'Agostino jede einzelne Person, die auf diese Weise (also durch öffentliches Vortragen oder Zurverfügungstellen im Internet) in seine Urheberpersönlichkeitsrechte eingreift, zivilrechtlich auf Unterlassung und (immateriellen) Schadenersatz klagen. Dass aber einige Radiostationen sein Lied jetzt nicht mehr spielen und ihm dadurch Tantiemen entgehen, ist einfach Pech. Abgesehen davon, dass er ja keinen Anspruch darauf hat, dass sein Lied im Radio gespielt wird, würde der Jurist sagen, dass die "Deutschland"-Gröler diese Konsequenz "nicht adäquat verursacht" haben.

Das Sylt-Video warf noch ganz andere Fragen auf: Wurden hier strafrechtliche Tatbestände erfüllt? Durfte man die Akteure im Internet unverpixelt derart an den medialen Pranger stellen? Und selbst wenn, auch jene Partygäste, die nicht "Deutschland", sondern den Originaltext mitsangen? Durfte in der Folge ein Arbeitgeber einen Partyteilnehmer entlassen? Ein Event, viele Fragen – aber wir beschäftigen uns hier ja nur mit den Rechten von Herrn D'Agostino. Und die stehen außer Frage. (Thomas Höhne, 4.6.2024)