"Johnny & Me" ist im Stil John Heartfields zusammengestellt: Kantige Figuren treffen auf geschichtete, grob ausgeschnittene Motive.
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1932, ein Jahr bevor Adolf Hitler in Deutschland an die Macht kommt, fertigt John Heartfield eine Fotomontage an. Darauf stolziert eine Hyäne über ein zerbombtes Feld voller toter Körper, sie trägt einen Zylinder und um den Hals den Orden "pour le mérite", den höchsten preußischen Kriegsorden. Darunter setzt der Grafiker, der eigentlich Helmut Herzfeld heißt, in Blockbuchstaben den nüchternen Schriftzug "Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen".

John Heartfield war Grafiker, Maler, Fotomontagekünstler und Bühnenbildner. Im deutschsprachigen Raum gilt er als Erfinder der politischen Fotomontage, der besonders mit seinen antifaschistischen Kompositionen aus den 1930er-Jahren für Aufsehen sorgte. Die Trickfilmerin und Regisseurin Katrin Rothe stellt sein bewegtes Leben jetzt in Johnny & Me – Eine Zeitreise mit John Heartfield als Legetrickanimation aus Karton nach und überlässt einem Mann das Wort, der zeit seines Lebens die Bilder sprechen ließ.

Heartfield wird 1891 als Helmut Herzfeld in Berlin geboren. Ab 1916 nennt er sich aus Protest gegen das englandfeindliche Klima John Heartfield, wird Regisseur bei dem Filmunternehmen Ufa und macht "künstlerisch neutrale Filme, um die Deutschen nicht schlecht dastehen zu lassen vor den neutralen Schweizern und Schweden", erzählt er mit gerunzelter Karton-Stirn der blonden Stephanie.

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Diese, in Fleisch und Blut verkörpert von Stephanie Stremler, ist die zweite Protagonistin des Films, sie ist Grafikerin im Hier und Jetzt und durchlebt eine Sinnkrise. Als sie die Figur Johns ausschneidet und zusammensetzt und dieser ihr von seinem Leben erzählt, hinterfragt sie immer wieder ihr eigenes Tun – immerhin habe Johns Arbeit im Gegensatz zur eigenen tatsächlich Bedeutung gehabt.

So spinnt sich Johnny & Me fort als gelungene Mischung aus Trick- und Realverfilmung: Während Stephanies Szenen bis auf die sprechende Pappfigur des John ohne Bildmontage auskommen, ist Johns Geschichte im Stil seiner Fotoarbeiten zusammengestellt. Kantige Figuren treffen dort auf geschichtete, grob ausgeschnittene Motive, wie man sie auf Heartfields Plakaten findet.

Exil und Freiheit

Wiederholt geht es um die Vereinbarkeit von persönlichen Überzeugungen und künstlerischen Auftragsarbeiten, wo John und Stephanie Querverbindungen finden können. Der Dada-Künstler kehrt nach Exilaufenthalten während des Zweiten Weltkriegs in die DDR zurück, wo seine Arbeit zwar gewürdigt, die künstlerische Freiheit jedoch zum Teil vehement eingeschränkt wird.

Vor allem wegen seiner heiteren Blasmusik und der liebevollen Gestaltung wirkt der Film zunächst wie eine freundliche Nacherzählung eines Künstlerlebens des 20. Jahrhunderts. Die Tragik der Geschichte seiner Protagonisten tritt nur zwischen den Zeilen zutage, entfaltet sich aber doch vielfach und macht Johnny & Me zu einem ausdrucksstarken, wertvollen Dokumentarfilm. (Caroline Schluge, 4.6.2024)