Das Concerto Stella Matutina (am Cello rechts Thomas Platzgummer, der musikalische Leiter) bringt historisch informierte Aufführungspraxis in Spitzenqualität.
Lilli Löbl

Carlo Gesualdo, Fürst von Venosa, ist der wohl berühmteste Mörder der Musikgeschichte, und so begann der Abend mit einem seiner Madrigale. Vielleicht würden manche Puristen bereits darin ein Verbrechen erkennen, diese Vokalmusik rein instrumental aufzuführen. Aber auch wenn das nicht schon in der Renaissance üblich gewesen wäre, hätte die Aufführung in Götzis vollends überzeugt: hochexpressiv, natürlich atmend und von einer fragilen klanglichen Schönheit, wie sie nur auf alten Instrumenten möglich ist.

Mitten im Ländle blüht da ein Konzertzyklus, der regelmäßig historisch informierte Aufführungspraxis, wie es so sperrig heißt, in einer Spitzenqualität bringt, die dem Vergleich mit internationalen Ensembles jederzeit standhält. Das Ensemble Concerto Stella Matutina, benannt nach dem ehemaligen Jesuitengymnasium, in dem heute die Vorarlberger Privathochschule für Musik untergebracht ist, besteht zum größten Teil aus Absolventen des Hauses, die inzwischen in alle Winde zerstreut sind, aber regelmäßig wieder zusammenfinden.

Psychiater auf der Couch

Dieses Mal ging es vergangenes Wochenende um die dunkle Seite der Musik: um Komponisten, die Täter oder Opfer von Verbrechen wurden. Auch Johann Sebastian Bach fand sich einmal im Kerker wieder – weil er seinen Dienstherrn wechseln wollte! Sein 6. Brandenburgisches Konzert erinnerte daran in einer ebenso grandiosen Interpretation, wie sie bei den übrigen, historisch weit gesteckten Stücken des Abends der Fall war.

Gesprächsgast war der Psychiater Reinhard Haller, den Cellist Thomas Platzgummer – als musikalischer Leiter des Programms virtuos in allen Rollen – ironischerweise auf einer Couch Platz nehmen ließ. Das Böse, sagte Haller, sei für ihn das Fehlen von Empathie, aber es gebe keine Definition, um dann einen Bogen von aktuellen Femiziden und weltweit (mindestens) 10.000 Ehrenmorden pro Jahr bis zur Französischen Revolution und den noch vor 150 Jahren gängigen Duellen zu spannen. Das Überleben der Menschheit, zitierte er Stephen Hawking, hänge davon ab, ob sie die Empathie retten könne. Musik fördere diese Fähigkeit. Vielleicht hat Haller auch deshalb ein Abo in Götzis. (Daniel Ender, 3.6.2024)