Blick von der Straße auf einen weißen Bungalow.
Das Einfamilienhaus, in dem ein 63-Jähriger am 5. Oktober eingestandenerweise seine Ehefrau getötet haben soll.
APA / MAX SLOVENCIK

Wien – Staatsanwältin Anna-Maria Wukovits hat in ihrem Berufsleben schon viele grässliche Dinge gesehen, wie sie in ihrem Eröffnungsplädoyer in dem Mordverfahren gegen Peter M. den Geschworenen erklärt. Der 5. Oktober hat jedoch alles Bisherige übertroffen. "Das Bild dieser abgeschlachteten Frau hat sich mir ins Gedächtnis eingebrannt", verrät sie dem Gericht unter Vorsitz von Sonja Weis. Gesehen hat sie dieses Bild, da sie an diesem Donnerstag Journalstaatsanwältin war, also die erste Vertreterin der Anklagebehörde, die von der Polizei kontaktiert wird. Die Exekutive informierte Wukovits damals über ein Tötungsdelikt in einer Einfamilienhaushälfte in Wien-Liesing. Ein Tötungsdelikt, das den 63-jährigen M. nun auf die Anklagebank gebracht hat.

Der von Ernst Schillhammer, dem die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsvortrag Rosen streut und ihn "einen der renommiertesten Strafverteidiger Österreichs" nennt, verteidigte Pensionist gibt auch zu, seine 35 Jahre alte Ehefrau an diesem Tag mit einem Stanley- und einem Küchenmesser erstochen zu haben; seiner Aussage nach, da er ihr nicht sagen konnte, dass er kein reicher Privatier sei, sondern hunderttausende Euro Schulden habe. Und dass er auch das im August bezogene Domizil, das um eine Million Euro angeboten wurde, in Wahrheit nicht bezahlen konnte und die Delogierung drohte. Daher habe er zunächst seine Ehefrau, dann den Hund und schließlich sich selbst töten wollen, erzählt er dem Gericht. Nur bei der Gattin gelang das Vorhaben.

149 Exekutionsverfahren

Im Jänner 2017 hatte der Österreicher die jüngere Rumänin kennengelernt, die in einem Kartenkasino als Dealerin arbeitete. Eineinhalb Jahre später wurde geheiratet – für M. war es die dritte Ehe. "Wie haben Sie sich ihr gegenüber dargestellt?", fragt Vorsitzende Weis interessiert. "Ich habe immer vorgegeben, dass es mir finanziell gutgeht", erklärt der distinguiert auftretende Angeklagte. "Wie ist Ihre finanzielle Situation tatsächlich gewesen?", erkundigt sich Weis weiter. "Ich hatte damals kaum Schulden. Kleinere Exekutionen liefen", erklärt der Unbescholtene ruhig. Die Vorsitzende hat allerdings ihre Arbeit gemacht: "Ich habe nachgeschaut. Es gab seit 1996 insgesamt 149 Exekutionsverfahren gegen Sie!", hält sie dem Angeklagten vor.

Wie sich herausstellt, war er mit seinem Unternehmen in Konkurs gegangen, eine schwere Erkrankung führte vor über zehn Jahren zu seiner Berufsunfähigkeit. Dennoch war das Paar nicht arm: M. erhielt monatlich 2400 Euro, seine Gattin verdiente als Verkäuferin 1600 Euro. Zunächst lebte man in einer Mietwohnung, "aber ein Haus war immer ihr Wunsch", behauptet der Angeklagte. Im Vorjahr erfüllte er ihr diesen, mit Geld, das er nicht hatte. Wie bereits in den Jahren davor nicht, in dem er der Gattin teuren Schmuck, Pelze, Schönheitsoperationen und Luxusreisen mit jenem Vermögen bezahlte, das er Familie, Freunden und Bekannten unter verschiedensten Ausreden abgenommen hatte.

Hoffnung auf Lottogewinn

"Wie war die Beziehung?", will die Vorsitzende wissen. "Sehr angenehm und schön", antwortet der Angeklagte. "Ich wollte sie eigentlich glücklich machen", begründet er die Betrügereien. "Wieso machen Sie sowas?" – "Ich wollte eigentlich gut dastehen", gibt M. zu. "Warum kaufen Sie ein Haus um eine Million Euro, die sie nicht haben?", fragt Weis, die das nicht nachvollziehen kann. "Ich habe zuletzt mit sehr hohen Geldbeträgen Lotto gespielt in der Hoffnung auf einen Haupttreffer", schildert der Angeklagte. "Die Chance beim Lotto ist immer die gleiche. Nicht sehr hoch", merkt Beisitzerin und Landesgerichtsvizepräsidentin Christina Salzborn in diesem Zusammenhang an.

Den Immobilienmakler habe er Woche um Woche mit immer neuen Versprechungen vertröstet, nur einmal überwies M. 25.000 Euro. Die hatte er sich von einem Freund ausgeborgt unter dem Vorwand, er wolle einen Pool bauen, habe aber nur ein Konto in Deutschland, die Baufirma wolle aber nur Bargeld und das sofort. Im September reichte es dem Verkäufer, er setzte eine Frist bis 5. Oktober. "Entweder wir bezahlen, oder wir müssen aus dem Haus raus", war M. dann klar, dass sein blenderisches Kartenhaus in sich zusammenbrechen würde.

Abschiedsbriefe mit gefälschter Unterschrift

Anmerken ließ er sich nichts. Am 5. Oktober, dem Tattag, frühstückte das Paar noch gemeinsam, dann ging der Angeklagte mit dem Hund Gassi. Als er zurückkam, ging er in den Keller und schrieb Abschiedsbriefe. Unter denen er nicht nur seine Unterschrift setzte, sondern auch die seiner Ehefrau fälschte, um den Eindruck eines gemeinsamen Entschlusses zu erwecken. Seinem Bruder schrieb er noch eine SMS, dann ging er mit einem Stanleymesser nach oben in den Ankleideraum und attackierte seine Frau von hinten.

Ihr Tod war qualvoll. Während M. infolge zweier gescheiterter Suizidversuche kurz ohnmächtig geworden war, lebte die 35-Jährige noch immer. In der Folge holte der Angeklagte aus der Küche ein Messer, versuchte zunächst erfolglos den Hund zu töten und rammte der Sterbenden die Waffe schließlich zwischen die Schulterblätter. Die zwischenzeitlich vom Bruder alarmierten Rettungskräfte konnten ihr nicht mehr helfen.

Den genauen Tathergang erzählt M., wie von Verteidiger Schillhammer angekündigt, völlig emotionslos. Er bleibt auch ruhig, als ihn die Vorsitzende fragt: "Kommt es nur mir so vor, oder haben Sie seit langem alle in Ihrer Umgebung angelogen?" – "Eigentlich wollte ich immer gut dastehen und dass andere glücklich sind", behauptet M. darauf. "Für sich haben Sie es nicht gemacht?", lässt Weis nicht locker. "Doch", muss der Angeklagte, dem der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann Zurechnungsfähigkeit, aber eine narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung attestiert, zugeben.

Geschworene zweifeln

Warum M. seiner Darstellung nach einen Mord und einen Selbstmord begehen wollte? "Ich dachte, ich gehe mit ihr ins nächste Leben. Das war mein Hauptgedanke", sagt er. Seit einem Nahtoderlebnis sei er ein sehr gläubiger Mensch. Was ein Geschworener nicht glauben mag: "Sie sagen, Sie sind ein gläubiger Mensch, und begehen einen Mord und lügen ständig. Wie passt das zusammen?" – "Mein Glaube bezieht sich auf das Leben danach, nicht auf die Kirche", antwortet der Angeklagte. Ein zweiter Laienrichter hakt nach: "Was haben Sie sich erwartet, dass Ihre Frau im Leben danach macht? Dass sie sich bei Ihnen bedankt, dass Sie sie umgebracht haben?" Befriedigende Antwort erhält er keine. "Eigentlich eine sehr egoistische Entscheidung", hält Beisitzerin Salzborn fest.

Die Beziehung des Paares wird von Zeuginnen und Zeugen unterschiedlich geschildert. Während ihre Mutter betont, die Tochter sei bescheiden gewesen und habe M. wirklich geliebt, sehen eine Bekannte sowie der beste Freund des Angeklagten das anders. "Sie war schon manchmal sehr streng und hat gefordert", erzählt eine Zeugin auf Nachfrage des Verteidigers, der sich redlich bemüht, die Emotionen aus dem Spiel zu nehmen und ein facettenreicheres Bild der Beziehung zu zeichnen.

Der 58-jährige Freund, der beide seit fünf Jahren kannte, wird noch deutlicher: "Die Beziehung war sicher gut, solange er gemacht hat, was sie wollte." – "Was wollte sie?", fragt die Vorsitzende. "Vieles", lautet die Antwort. Der Zeuge hat auch keine Hemmungen, vor den drei Berufsrichterinnen – neben Weis und Salzborn auch Sonja Höpler-Salat – sein Frauenbild kundzutun. "Wenn eine Frau merkt, dass der Mann sehr wohlhabend ist, steigt das Verlangen nach Schmuck", erklärt er beispielsweise. Oder auch: "Wer eine junge Frau hat, muss zahlen!"

Nur oberflächliche Verletzungen

Einen Dämpfer erhält die Verteidigungsstrategie des Angeklagten durch das gerichtsmedizinische Gutachten des Sachverständigen Nikolaus Klupp. Er hält fest, dass sämtliche Schnittverletzungen, die sich der Angeklagte zugefügt hat, nur oberflächlich waren und zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr bestanden habe. Psychiater Hofmann führt noch aus, dass gerade Narzissten wie der Angeklagte dazu tendieren würden, sich für einen "grandiosen Abgang" zu entscheiden.

Am Dienstagnachmittag verkündeten die Geschworenen schließlich ihre Entscheidung. Der 63-Jährige wurde – vorerst nicht rechtskräftig – zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht billigte dem Angeklagten zwar sein Geständnis, "obwohl von Reue im eigentlichen Sinn wenig zu sehen war" als mildernd zu, jedoch keinen ordentlichen Lebenswandel zu. Erschwerend waren unter anderem die Verwendung einer Waffe, dass das Opfer die eigene Ehefrau war, die heimtückische und grausame Vorgangsweise sowie die völlige Arglosigkeit des Opfers. "So kam nur lebenslang in Frage", sagte Richterin Weis. Der Angeklagte erbat sich drei Tage Bedenkzeit, während die Staatsanwältin auf Rechtsmittel verzichtete. (Michael Möseneder, red, APA, 4.6.2024)