"Es herrscht Klassenkrieg. Es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt", sagte der US-Milliardär Warren Buffett bereits vor fast 20 Jahren. Ausgetragen wird diese Auseinandersetzung freilich nicht mit Waffen auf einem Schlachtfeld, sondern über die weltweite Verteilung des Vermögens. Und die Reichen sind schon lange auf dem Vormarsch, wie der seit 1997 erscheinende Global Wealth Report des Beratungsunternehmens Capgemini Jahr für Jahr belegt: Das Vermögen derjenigen, die ohnedies schon am meisten besitzen, steigt unaufhörlich – ganz im Gegensatz zu dem der restlichen Bevölkerung.

Milliardär Mark Mateschitz mit Victoria Swarovski beim Formel-1-Grand-Prix in Imola.
AFP/ANDREJ ISAKOVIC

Konkret ist die Zahl jener Menschen, die zumindest eine Million an anlagefähigem Vermögen besitzen, laut dem Capgemini-Report im Vorjahr um 5,1 Prozent auf etwa 22,8 Millionen angestiegen. Gleichzeitig erreichte deren Vermögen mit 88,6 Billionen Dollar, das sind um 4,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor, einen neuen Rekordstand. "Der Anstieg der Kurse an den Aktienmärkten spiegelt sich in den Entwicklungen der Vermögenden wider", erklärt Capgemini-Experte Klaus-Georg Mayer.

Weniger risikofreudig

Tatsächlich spielt das Anlageverhalten der Reichen eine gewisse Rolle. Auch der Finanzexperte und Chef des Vergleichsportals Durchblicker, Martin Spona, wundert sich darüber, dass die breite Bevölkerung in Österreich vor ertragreichen Wertpapieren zurückschreckt und stattdessen auf vergleichsweise ertragsarme Produkte wie Sparbücher oder Bausparverträge setzt. "Bei der Finanzierung gehen sie hohe Risiken ein", sagt er mit Blick auf den hierzulande hohen Anteil an variablen Krediten, "sind aber bei der Veranlagung nicht bereit, Risiken einzugehen."

Eine wesentlich größere Rolle dürfte aber die für Superreiche sehr komfortable Steuerpolitik spielen. Eine Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam legte im April dar, dass Millionäre in Österreich und Deutschland eine wesentlich geringere Steuerquote aufweisen als Angehörige der Mittelschicht. Warum? Einkommen durch Erwerbsarbeit wird deutlich höher besteuert als Kapitaleinkommen. Die Mittelschicht lebt hauptsächlich von Löhnen und Gehältern, auf die hierzulande inklusive Arbeitgeberbeiträge effektiv im Mittel 42 Prozent des Bruttolohns an Steuern und Abgaben anfallen. Für Superreiche wie den Red-Bull-Erben Mark Mateschitz, laut Bloomberg Billionaires mit einem Vermögen von 21,4 Milliarden Dollar reichster Österreicher, beträgt die Steuerlast Oxfam zufolge bloß rund 26 Prozent.

Große Ungleichheit

Die Folge ist eine enorme Konzentration des Vermögens bei den Reichsten in Österreich. Gemäß dem gewerkschaftsnahen Momentum-Institut besitzen die wohlhabendsten fünf Prozent der Haushalte 53,5 Prozent des Vermögens, während sich die ärmere Hälfte der Bevölkerung 3,5 Prozent des Gesamtvermögens untereinander aufteilt. Damit weise das Land die zweitgrößte Ungleichheit in der Eurozone hinter Lettland auf. "Bei Vermögen ist Österreich eine Steueroase", wird zur Begründung angeführt, bei der Besteuerung von Vermögen liege das Land im OECD-Vergleich am fünftletzten Platz von 38 Ländern. Es gibt hierzulande weder eine Vermögenssteuer noch eine Erbschaftssteuer, was beides die Reichen begünstigt.

Allerdings sind diese Steuern in Österreich ein sehr heißes Eisen, das nur wenige anzufassen wagen. Das zeigt sich etwa an dem "Sozialbericht 2024" des Sozialministeriums, an dem die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) traditionellerweise mitwirkt. Nicht jedoch bei dessen Präsentation, da die beiden Autoren in dem Studienteil "Privateigentum und Zugang zu Ressourcen" die Einführung einer Erbschafts- und Vermögenssteuer empfehlen. Die OeNB habe ein Auftrittsverbot über die zwei Notenbanker verhängt, heißt es dazu hinter vorgehaltener Hand – wegen des zu erwartenden öffentlichen Aufsehens, vor allem bei der ÖVP, die derartige Steuern bekanntlich ablehnt. "Die Autoren wurden ersucht, sich in ihrem Vortrag auf den analytisch-deskriptiven Teil des Berichts zu beschränken", erklärt sich die Notenbank. "Denn die Kernkompetenz der OeNB liegt in der Geldpolitik und nicht in der Fiskal- und noch weniger in der Steuerpolitik."

Leistungsprinzip

Im Hause Oxfam gibt es keinen Maulkorb bei diesem Thema, vielmehr könne eine Vermögenssteuer dafür sorgen, dass das Steuersystem wieder progressiver werde und dem Leistungsprinzip entspreche. Was konkret bedeutet: Wer mehr verdient, soll auch höhere Steuersätze zahlen. Die Einführung einer Vermögenssteuer wie in der Schweiz würde demnach in Österreich jährlich Zusatzeinnahmen von etwa fünf Milliarden Euro bringen. Weltweit könnte eine solche Steuer laut Oxfam jedes Jahr 2,5 Billionen Dollar einspielen. Abgelehnt wird die Forderung nach einer Vermögenssteuer hingegen von der Agenda Austria: "Wer mehr Gerechtigkeit will, muss die Steuern senken und nicht erhöhen, nur so ist ein breiter Vermögensaufbau möglich", meint Franz Schellhorn, Chef der wirtschaftsliberalen Denkfabrik.

Apropos Gerechtigkeit, der eingangs erwähnte Börsenguru Warren Buffett hat es bereits vor vielen Jahren als unfair empfunden, dass er als Milliardär nur eine etwa halb so hohe Steuerquote habe wie seine Sekretärin. Die Erwartung, dass sich daran etwas ändern wird, hatte er aber offenbar nicht – denn über den von ihm ausgerufenen Krieg der Klassen sagte Buffett: "Es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen." Bisher sieht es danach aus, als dürfte er recht behalten. (Alexander Hahn, 6.6.2024)