Elon Musk soll 12.000 H100-GPUs von Tesla an X umgeleitet haben. Angeblich aus Platznot.
AFP/SONNY TUMBELAKA

Elon Musk ließ tausende KI-Chips von Nvidia zu seinem Social-Media-Unternehmen X, vormals Twitter, umleiten. Pikant: Diese Chips waren eigentlich für die Entwicklung von KI-Modellen für Tesla gedacht. Damit könnte sich die neue KI-Strategie von Tesla um Monate verzögern.

Die Geschichte geht so: Tesla soll laut Elon Musk bekanntlich nicht mehr nur ein Hersteller von Elektroautos sein, sondern auch ein KI-Unternehmen werden, das Flotten aus fahrerlosen Robotertaxis betreibt. Damit das Unternehmen die dafür nötige Technologie entwickeln kann, hat Tesla eine Großbestellung von H100-Chips bei Nvidia aufgegeben. Tesla wollte die Zahl der H100 von 35.000 auf 85.000 erhöhen. Damit wäre Tesla, gemessen an der KI-Rechenpower, zum drittgrößten KI-Unternehmen der Welt geworden. Nur Meta und Microsoft haben mehr H100 im Einsatz.

Aussagen Musks passen nicht zu Bestellungen

Musk hat sogar selbst angekündigt, dass Tesla zehn Milliarden Dollar in das KI-Training investieren werde. Der Großteil davon werde für eine Auto-KI sowie für eine "Inferenz-KI" verwendet, also eine Software, die möglichste genaue Vorhersagen treffen kann, eine im Straßenverkehr zweifelsohne wichtige Fähigkeit. Kurz: Laut Musk sollte Tesla zu einem führenden Unternehmen im Bereich KI und Robotik werden.

Wie aber nun die US-Sendergruppe CNBC berichtet, dürfte Musk den Tesla-Aktionären ein übertriebenes Bild der Beschaffung von H100-Chips vermittelt haben. Dies geht aus internen E-Mails hervor, die von leitenden Nvidia-Mitarbeitern verfasst und innerhalb des Unternehmens verschickt wurden. Aus dieser internen Korrespondenz geht außerdem hervor, dass Musk den größten Teil der für Tesla reservierten Chips an sein Social-Media-Unternehmen X weitergeleitet hat. Dem Bericht von CNBC zufolge soll Musk Chips im Wert von 500 Millionen Dollar umgeleitet haben. Dies dürfte bei einem Marktpreis von etwa 40.000 pro Stück rund 12.000 Einheiten entsprechen. Das wiederum dürfte Verzögerungen in der Umsetzung der neuen Tesla-Strategie hin zum KI- und Robotikunternehmen zur Folge haben.

"Elon priorisiert den Einsatz des X-H100-GPU-Clusters bei X gegenüber Tesla, indem er 12k (12.000, Anm.) ausgelieferte H100-GPUs, die ursprünglich für Tesla vorgesehen waren, stattdessen zu X umleitet", heißt es in einem Nvidia-Memo vom Dezember. "Im Gegenzug werden die ursprünglichen X-Bestellungen von 12k H100, die für Januar und Juni vorgesehen waren, an Tesla umgeleitet." In der folgenden Korrespondenz weisen Mitarbeiter von Nvidia darauf hin, dass Musks Aussagen gegenüber den Tesla-Aktionären "im Widerspruch zu den Bestellungen stehen". Auch die von Musk angegebenen zehn Milliarden Dollar für KI-Training stünden im Widerspruch zu den bei Nvidia eingegangenen Buchungen und den Prognosen für das Geschäftsjahr 2025, heißt es in dem Bericht.

Eskalierender Konflikt mit den Aktionären

Die neuen Informationen aus den E-Mails deuten laut dem Sender auf einen eskalierenden Konflikt zwischen Musk und einigen Tesla-Aktionären hin. Demnach stehe die Frage im Raum, ob der Milliardär seinen Verpflichtungen gegenüber Tesla nachkomme, während er gleichzeitig eine Reihe anderer Unternehmen leite. Schließlich verschlingen The Boring Company, Space X, Neuralink und vor allem X einen guten Teil von Musks Aufmerksamkeit, die Tesla in der aktuellen Krise brauche. Musk wurde entsprechend schon "Teilzeit-CEO" von Tesla genannt. Musk hat darüber hinaus ein mit der Social-Media-Plattform X eng verwobenes KI-Unternehmen namens xAI gegründet. Dessen bekanntestes Projekt ist der "rebellische" Chatbot Grok, der Musk zufolge eine direkte Konkurrenz zu ChatGPT sein soll.

Musk reagierte mit einem Posting auf X und rechtfertigt die Umleitung der KI-Prozessoren. Tesla habe am Werk in Austin, Texas, schlicht nicht die Kapazität gehabt, die Chips auch zu nutzen, und sie wären dementsprechend in einer Lagerhalle gelandet. Wenn die Erweiterung des Fabriksgeländes abgeschlossen sei, werde man Kapazitäten für 50.000 H100-GPUs haben. Diese sollen für das Training von Full-Self-Driving eingesetzt werden. Tesla werde im Jahr 2024 insgesamt drei bis vier Milliarden US-Dollar für KI-Chips von Nvidia ausgeben.

Tesla steckt inmitten eines Umsatzrückgangs, der zum Teil auf die alternde Produktpalette von Elektrofahrzeugen und den zunehmenden Wettbewerb aus China zurückzuführen ist. Auch der Ruf des Unternehmens hat in den USA laut einer Umfrage von Axios gelitten. Ein nicht unwesentlicher Teil geht auf Elon Musks Eskapaden und politische Tiraden zurück.

Musks Drohung

Musk liefert sich darüber hinaus aktuell eine intensive Auseinandersetzung mit dem Aufsichtsgremium von Tesla. Die Aktionäre müssen darüber entscheiden, ob Elon Musk sein 56 Milliarden Dollar teures Gehalts- und Bonuspaket bekommt. Wie Reuters berichtet, wurde den Aktionären von einem eigens engagierten Consultingunternehmen geraten, dem Paket nicht zuzustimmen. Musk hatte im Gegenzug angekündigt, dass ihm "unwohl" dabei sei, Tesla in ein KI-Unternehmen umzuwandeln, wenn er nicht über 25 Prozent der Aktien verfüge. Musk drohte den Tesla-Aktionären anschließend: Werden ihm seine Wünsche nicht gewährt, dann werde er keine KI- oder Robotikprodukte mehr entwickeln lassen. Ob die Umleitung von KI-Chips von Tesla zu X damit in Zusammenhang steht, ist aktuell nicht bestätigt. (pez, 6.6.2024)