Ein Mann und eine Frau gehen bei einer Auslage vorbei. In der Auslage gibt es Schilder mit Minus 60-Prozent-Angeboten.
Ein Super-Sale hier, ein Final Offer da. Beim Konsum übernimmt man sich leicht – vor allem, wenn dabei Schulden gemacht werden.
REUTERS/David Gray

Die Verlockungen lauern überall. Hier ein Super-Sale im Lieblingsgeschäft, da ein Angebot, das nur für kurze Zeit gilt. Hinzu kommen Billigaktionen im Internet. Der Handel ist professionell darin, Wünsche beim Konsumenten zu wecken. Doch nicht jeder Wunsch lässt sich rasch finanzieren. Wenn das Geld knapp ist, muss auf die Shopping-Tour verzichtet werden. Oder vielmehr – müsste. Denn Angebote wie "kaufe jetzt, zahle später" macht es für Kunden noch einfacher, schnell zuzugreifen.

Doch der schnelle Griff nach Neuem kann lange Nachwehen mit sich bringen. Denn die offenen Rechnungen müssen irgendwann bezahlt werden. Meist mit Zinsaufschlag. Wer das vergisst und offene Zahlungen auf die leichte Schulter nimmt, hat es rasch mit Mahnungen und dem Inkassobüro zu tun.

Nicht selten sind es solche Lockangebote, die einen Berg an offenen Rechnungen bringen und den Konsumenten letztendlich in echte finanzielle Nöte. Eine Überschuldung wird nämlich auch angetrieben von übertriebenem Konsumverhalten, wie die Schuldnerberatung Niederösterreich kürzlich mitgeteilt hat. Wer es aufgrund der Teuerung und gestiegener Lebenskosten ohnehin schon schwer hat, ein Auskommen mit seinem Einkommen zu finden, müsste eigentlich noch genauer auf seine Finanzen achten. Doch Lockangebote sind eben genau das – eine Verlockung, der man nicht immer widerstehen kann oder will.

Wachsam bleiben

"Die meisten Menschen realisieren nicht, wie schnell sie in eine Schuldenfalle tappen können, wenn sie Rechnungen permanent aufschieben", sagt Philipp Kadel vom deutschen Inkassounternehmen Diagonal. Die Verführung im Handel und die Möglichkeit der raschen Finanzierung sind für den Experten ein Faktum, das zum Übel werden kann. Hinzu komme, dass die schlechter werdende Bonität von Kunden lange nicht in den Auskunfteien aufschlägt. Bis ein Anbieter die Notbremse ziehen kann und dem Kunden keine Konsumfinanzierung mehr gewährt werde, können mehrere Monate vergehen. "Das ist aber eine Zeit, in der fröhlich weitergeshoppt werden kann", sagt Kadel.

Der Experte rät dazu, ein klassisches Haushaltsbuch zu führen. Das klinge per se zwar nicht sexy, sei aber besonders wichtig. Denn: "Viele Menschen wissen gar nicht, wie viel Geld sie monatlich zur Verfügung haben, wie hoch ihre Fixkosten sind und wann Sonderposten wie Versicherungen fällig werden", sagt Kadel. Für eine Auflistung reichen Papier und Stift. Wer sein Haushaltsbuch etwas moderner anlegen möchte, kann Apps wie etwa Finanzguru beiziehen, um den Überblick zu behalten.

Grundsätzlich sollte eine finanzielle Reserve in Höhe von drei Monatsnettogehältern aufgebaut werden. Diese Rücklage hält finanziell flexibel, wenn die Waschmaschine kaputtgeht oder eben ein Schlussverkauf lockt. Denn in den meisten Fällen sei es laut Kadel der Konsum, der sich zusätzlich zur finanziell engen Lage besonders schädlich auswirke.

Schuldner oft zu optimistisch

Die meisten Schuldner wissen laut Kadel natürlich, dass sie ihre offenen Rechnungen auch bezahlen müssen. Aber Schuldner seien oft zu optimistisch. Sie geben mögliche Prämien aus, bevor diese geflossen sind, oder vertrauen auf andere Zuwendungen, die sie vielleicht gar nicht wie erhofft bekommen – doch da ist der neue Flatscreen schon längst gekauft. Angetrieben werde der Kaufimpuls nicht selten vom Druck, mit anderen Schritt halten zu müssen – mit Nachbarn, Kollegen oder Freunden. "Trifft ein Wunsch auf die Möglichkeit der optisch billigen Finanzierung, ist die Verführung oft zu groß", sagt Kadel. Fehle dann der finanzielle Background, summierten sich die Probleme.

In Summe werde es Menschen laut Kadel zu einfach gemacht, Schulden aufzubauen. Vor allem junge Menschen sollten hier besonders sorgsam sein. Der Inkasso-Experte appelliert hier auch für den Ausbau einer grundlegenden Finanzbildung. Challenges auf Tiktok, bei denen sich Jugendliche matchen, wer die höheren Schulden hat, seien laut Kadel ein Super-GAU. Wer in jungen Jahren schon bis zu 100.000 Euro Konsumschulden hat, werde diese selten los.

Nicht wegschauen

Wird die Schuldenlast zu groß, rät Kadel dazu, mit den Gläubigern das Gespräch zu suchen und eine Ratenhöhe anzubieten. Den Kopf in den Sand zu stecken sei hier der falsche Ansatz. Auch Gläubiger und Dienstleister wollen ihr Geld sehen und fürchten Ausfälle. Eine Lösung werde in den meisten Fällen gefunden, vor allem wenn der Schuldner sich selbst meldet. Hier dürfe es keine falsche Scham geben. "Wer wegschaut, macht das Problem nur schlimmer", sagt Kadel. (Bettina Pfluger, 7.6.2024)