Im Altarraum der Breitenfelder Kirche in Wien hängt eine überdimensionierte Hand, die aus Stoff genäht ist, die Hautfarbe ist dunkler, die Fingernägel sind blau lackiert. Der Kirchenhintergrund ist in Schwarzweiß.
In der Breitenfelder Kirche in der Josefstadt gibt es im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen eine interaktive Textilinstallation der Künstlerin Ina Loitzl zu sehen – und auch buchstäblich zu spüren.
Foto: Ina Loitzl

"Auch so geht Kirche!" oder "Kirche kann auch ganz anders!", steht auf der Webseite der "Langen Nacht der Kirchen". Und wer sich durch die fast 1000 Programmpunkte – es sind exakt 949, die in 700 Kirchen ganz Österreich angeboten werden – durcharbeitet, findet höchst unterschiedliche Angebote, die man vielleicht nicht unbedingt erwarten würde. Aber genau das ist ja auch das Ziel der Veranstaltung, die im Vorjahr 320.000 Besucherinnen und Besucher in sakrale Räume oder zu kirchennahen Einrichtungen gelockt hat.

Veranstaltet wird die Lange Nacht der Kirchen vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ). Der derzeitige ÖRKÖ-Vorsitzende, der armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan, sagt dazu: "Die ökumenische Ausrichtung, bei der alle 16 im ÖRKÖ vertretenen Kirchen teilnehmen, schafft dadurch einen inspirierenden Raum um gemeinsam zu feiern, zu diskutieren und Verständnis füreinander zu entwickeln." Die Lange Nacht der Kirchen sei zu einem "Symbol der Vielfalt" geworden, das über konfessionelle Grenzen hinweg Menschen zusammenführe.

Herr der Ringe und Haare lassen

Dieses Bemühen um Vielfalt kann an vielen Orten gesehen werden. Die Palette reicht von Musik über Diskussionsveranstaltungen bis zu Meditation und Gebeten, es gibt Veranstaltungen mit dem "Herrn der Ringe" oder auch mit Werwölfen, in Oberösterreich bekommt man Antworten auf die Fragen, wie das Einhorn in die Bibel kommt und ob man in der Kirche eine Banane essen darf. In der Steiermark kann man die Graffitis in der Kreuzkirche in Graz erklärt bekommen, in Tirol darf man in der Kirche Karten spielen, in Salzburg Haare lassen, in Niederösterreich beim Pub-Quiz knifflige Fragen beantworten, in Kärnten ist das Coffeebike unterwegs, und es gibt ein "Gebet to go", und im Burgenland lädt man zur Kirchen-Millionenshow.

In Wien stellt sich Kardinal Christoph Schönborn einem "Speed-Talking". Wer will, kann sich in der Erlöserkirche abseilen oder auf den Dachboden der Breitenfelder Kirche steigen. In der Pfarre Breitenfeld im achten Bezirk wird es auch eine interaktive Textilinstallation zu sehen geben. Im Altarraum wird eine riesiges Textilobjekt schweben, das die Künstlerin Ina Loitzl gestaltet hat.

Interaktive Kunst im Kirchenraum

Die überdimensionale skulpturale Hand im Raum (siehe Bild oben), so erklärt die Künstlerin zu ihrem Werk mit dem Titel Hope, könne "weiblich, divers, männlich sein, sie schließt die Sicht auf die 'weiße' Kultur aus – viel eher verbindet sie durch ihren dunklen Farb- und Materialeinsatz viele Ethnien miteinander". Zusätzlich seien die Finger mit ihrem Abdruck ein Zeichen höchster Individualität.

Loitzl greift in ihrer Arbeit auch das Thema der intimen "Care-Arbeit" in Zeiten "sozialer und digitaler Distanz" auf und wird selbst kurze Ölhandmassagen durchführen (19.00 bis 19.30 Uhr). "Als Paraphrase zu den Fußwaschungen sollen sich die Besucherinnen und Besucher vor der Massage die Hände waschen, ein Öl aussuchen, und dann werde ich eine kurze Handmassage machen", sagt sie: "Diese Care-Arbeit erzeugt in einer digital anonym gewordenen Zeit eine selten gewordene Nähe." Ihr Kunstwerk, die Hand der Hoffnung, wird auch nach der Langen Nacht der Kirchen im Juni in der Breitenfelder Kirche bei den Messen im Kirchenraum hängen – "als Symbol für Vertrauen, Schutz, Berührung, Kommunikation, Diversity, Geborgenheit, Hilfe, Urvertrauen und Zuversicht".

Davor (ab 18 Uhr) gibt es in der Pfarre Breitenfeld Tanztheater nach dem Buch Die Tänzerin von Auschwitz unter dem Titel Dancing with the Enemy. Ab 20 Uhr wird das Vokalensembe Dreiklang unter dem Titel Wedding Songs – I love it when you sing to me geistliche und weltliche Hochzeitslieder und Lovesongs zum Besten geben. Danach (ab 21 Uhr) kommt dort die zweitgrößte Kirchenorgel Wiens zum Einsatz, der Kirchenmusiker Francesco Pelizza spielt unter dem programmatischen Motto "I am what I am" "queere Musik" auf der Orgel: "Viele der bekanntesten Komponist:innen der Musikgeschichte würden sich heute vermutlich als queere Personen bezeichnen", heißt es dazu in der Einladung.

Ernst Molden, Ina Regen und Glockengeläut

Zu selben Zeit (ab 21 Uhr) wird Ernst Molden in der Pfarrkirche Maria Geburt ein Konzert spielen. Sein Titel: Es Lem, das Leben. In der Kirche St. Nepomuk in der Praterstraße wiederum gibt es ab 22.30 Uhr Lieder und Texte von Leonard Cohen, nach einer Zeile aus dessen Anthem betitelt: There is a crack in everything, .

Die "Dialoginitiative" der Katholischen Kirche "Denk dich neu", die vor allem junge Menschen ansprechen möchte, hat in Salzburg in der Andräkirche um 20.45 Uhr den Singer-Songwriter Onk Lou im Programm, um 21.45 Uhr folgt die Musikerin Ina Regen.

Auch der Auftakt der Langen Nacht der Kirchen erfolgt musikalisch, sie wird stilecht eingeläutet: um 17.50 Uhr mit Kirchenglocken. (nim, 7.6.2024)