Na Servas, dieses Aufeinandertreffen der EU-Spitzenkandidaten bei ORF-Moderatorin Simone Stribl am EU-Wahlabend gibt einem zu denken. Da ist sogar Tobias Pötzelsberger, der souverän durch die Wahlsendungen führte, ein bisschen schockiert. "Da werden wahrscheinlich ein paar in diesem Studio nicht unfroh sein, dass diese Diskussion vorbei ist. Das hinterlässt einen streckenweise vielleicht auch ein wenig sprachlos."

Schilling, Lopatka, Stribl, Vilimsky, Schieder und Brandstätter am Wahlabend im ORF.
Schilling, Lopatka, Stribl, Vilimsky, Schieder und Brandstätter am Wahlabend im ORF.
Screenhot: ORF On

Was ist passiert? Wie immer nach Wahlen trafen auch an diesem Sonntag die Spitzenkandidaten und die Spitzenkandidatin kurz nach der ersten Trendprognose aufeinander, meist wird das ein eher versöhnlicher Plausch mit vielen Danksagungen an Wählerinnen und Wähler, Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Von Versöhnung war hier aber ganz und gar nichts zu spüren, im Gegenteil. Da flogen die Hackeln unterirdisch tief. Ein bitterer Vorgeschmack auf das, was uns im Wahlkampf in den kommenden Monaten in Richtung Nationalratswahl im Herbst erwarten wird.

Die Stimmung war eisig, die Blicke fast schon hasserfüllt, die Gestik dramatisch. Vor allem jene von FPÖ-Kandidat Harald Vilimsky, der dem SPÖ-Kandidaten Andreas Schieder immer mehr auf die Pelle rückte. Und die Wortmeldungen mehr als unterirdisch. Dabei begann es recht harmlos.

Viele Emotionen zwischen Harald Vilimsky (FPÖ) und Andreas Schieder (SPÖ).
APA/GEORG HOCHMUTH

Vilimsky bedankt sich ("ich habe das Gesicht nach außen sein dürfen, der Erfolg gehört uns allen"), Lopatka bedankt sich (er sieht ein "bitteres Ergebnis, aber gleichzeitig einen Auftrag). Schieder bedankt sich (ortet aber ein "schmerzhaftes Ergebnis" für die SPÖ) und kritisiert den ORF dafür, dass diese Runde schon jetzt – also nach der Trendprognose und vor dem Ergebnis – stattfindet. Und Grünen-Kandidatin Lena Schilling bedankt sich ("im Wahlkampf wurden auch Fehler gemacht, wir haben uns für die Fehler entschuldigt").

"Traummännlein" und "FPÖ-Megaskandale"

Und wenig überraschend bedankt sich auch Neos-Kandidat Helmut Brandstätter, er fordert ein, dass künftig mehr darüber geredet wird, wie wir in Österreich von der EU profitieren. "Der Wahlkampf ist vorbei", wirft da Kollege Lopatka ein. So weit, so normal.

Schärfer wird dann die Gangart, als Vilimsky sagt, dass er davon ausgeht, dass Nehammer und Babler nach der Nationalratswahl andere Jobs haben werden. "Traummännlein" wirft hier Lopatka ein, Nehammer bleibe nach der EU-Wahl "selbstverständlich Spitzenkandidat". "Wir müssen Vilimsky nur ausreden lassen, und er widerspricht sich", so Lopatka in Richtung FPÖ-Kandidat, "sie können Fahndungslisten erstellen, aber wer für die ÖVP und die SPÖ in die Nationalratswahl geht, das können sie noch nicht entscheiden und hoffentlich nie".

Was heißt das Ergebnis für SPÖ-Chef Babler, will Stribl von Schieder wissen. "Ich kann nur davor warnen, das Land an die FPÖ zu übergeben", antwortet da Schieder, das sei ja schon ausprobiert worden und habe jedes Mal in "einem Megaskandal" geendet. "Ich will das nicht für mein Land", so Schieder, "ich sage das in aller Ruhe." Und man sieht ihm an, wie er innerlich brodelt. Es folgt ein Schlagabtausch zwischen Vilimsky ("Schmiergeld") und Schieder ("Korruption"). Was Neos-Kandidat Helmut Brandstätter von dieser Diskussion hält? Siehe Bild:

Schlagabtausch zwischen Vilimsky und Schieder und dann zwischen Vilimsky und Brandstätter.
Schlagabtausch zwischen Vilimsky und Schieder und dann zwischen Vilimsky und Brandstätter.
Screenshot: ORF On

Aber es wird noch tiefer. "Was nehmt ihr zu euch in eurer Neosphäre", fragt Vilimsky Brandstätter, der "Irrsinn verzapfen würde". Brandstätter in Richtung Stribl: "Wie kommt man dazu, sich das anzuhören?" Von Brandstätter kommt noch der Ausdruck "Champagner-Harry" und dieser Satz: "Das Schöne ist: Alle, die mir gesagt haben, mit dem Vilimsky ist es so schrecklich, meinen: Mach dir keine Sorgen, in Brüssel ist er eh nie. Da hörst du ihn nicht mehr." Vilimsky antwortet dann sinngemäß Ähnliches, freilich in Brandstätters Richtung.

Nein, diese Auftritte waren unterirdisch und politischen Führungskräften nicht würdig. Das tut dem politischen Klima nicht gut, und es trägt schon gar nicht dazu bei, der Politverdrossenheit in diesem Land etwas entgegenzusetzen. (Astrid Ebenführer, 9.6.2024)