Störche im Nest
Ein Storchennest im südburgenländischen Oberwart. Die Küken sind schon fleißig beim Flügelworkout. (Belichtungszeit 1/500 Sek., Blende f8, Lichtempfindlichkeit ISO 100, Brennweite 300 mm)
Michael Simoner

Sind Sie schwindelfrei? Bei mir ist es unterschiedlich. Einen Besuch bei der Pummerin im Nordturm des Stephansdoms schaffe ich ohne Stoßgebet zum Himmel. Aber kaum steige ich auf einen Sessel, um eine Glühbirne zu wechseln, kriecht das Kribbeln in die Magengrube. Also lasse ich es lieber. Völlig frei von Höhenangst müssen Störche sein. Sie fliegen nicht nur hoch (und weit), sie bauen auch ihre Nester irgendwo da oben in Maibaumhöhe.

Wer das Familienleben der Weißstörche (Ciconia ciconia) beobachten will, sollte sich jetzt auf die Socken machen. Wir waren vor wenigen Tagen im südlichen Burgenland unterwegs und haben mehrere Nester abgeklappert, in denen der Nachwuchs schon frech in die Umgebung schaut. Ich hoffe, die Jungvögel haben die schweren Unwetter vom Wochenende gut überstanden. Etliche Gemeinden haben in den vergangenen Jahren luftige Nistplattformen errichtet. Aber es gibt auch noch die klassischen Rauchfangbewohner, die darunter befindliche Dächer mit weißer Kacke neu gestalten.

Biegsame Hälse

Jungen Vogerln wird von Anfang an beigebracht, das Nest rein zu halten und ihr Geschäft über den Rand hinaus zu erledigen. Das konnten wir auch bei kleinen Rotschwänzchen beobachten. Und bei Höhlenbrütern wie den Blaumeisen entsorgen die Elternvögel immer prompt den Kot.

Die kleinen Störche sind ein paar Wochen alt. In den Nestern im Bezirk Oberwart hocken drei bis fünf Geschwister. Ihr Federkleid ist noch flaumig, aber sie rudern schon kräftig mit den Flügeln und klappern mit ihren noch schwarzen Schnäbeln um die Wette. Auch die Erwachsenen schnäbeln sehr gern. Jedes Mal, wenn ein Elternteil vom Essenholen zurückkommt, vollziehen Mama und Papa Storch ein Ritual, bei dem sie die Flügel abspreizen und die Hälse so weit zurückbiegen, dass ich allein vom Zusehen ein steifes Gnack bekomme. Und dazu klappern sie lautstark mit den langen, roten Schnäbeln. Es sieht fast so aus, als ob sie zur Begrüßung tanzen würden.

Regenwurm und Ratten

Die Störche basteln ständig an ihrem Nest. Äste werden neu arrangiert, Füllmaterial kommt nach. Lustigerweise sind am Rand eines Nests Getreidehalme aufgegangen. Außerdem haben fast alle Storchenfamilien Untermieter: An der Nestunterseite nisten sich gern Spatzen ein. Oben warten die kleinen Störche, bis ihnen ihr Fressen hervorgewürgt wird. Die Futterauswahl passt sich an die Entwicklungsstufe an – vom Regenwurm für ganz junge Nesthocker bis zu Fröschen, Mäusen und Ratten für den Hunger der Großen. Weißstörche sind auf keine Beutetiere spezialisiert, sie fressen alles, auch Abfälle. Einzig die Happengröße grenzt das Menü ein, weil sie ihre Beute nicht zerteilen können.

Viele Weißstörche werden sich schon Mitte August auf in ihre Winterquartiere in Afrika machen. Manche fliegen sogar bis nach Südafrika. Doch immer mehr Tiere bleiben das ganze Jahr über hier. Der Klimawandel mit seinen milden Wintern verändert nicht nur das Zugverhalten, sondern auch die regionale Verteilung. Zuletzt wurde etwa in Niederösterreich ein Rückgang in den March-Thaya-Auen festgestellt, dafür gibt es im Waldviertel einen Zuwachs. Die meisten Störche leben hierzulande im Burgenland und in der Steiermark. In Rust sind heuer 86 Jungstörche geschlüpft, das ist dort neuer Rekord. Gratulation! Hier geht es zur Storchencam, die der Ruster Storchenverein betreibt. Aber auch Vorarlberg ist beliebt bei den geschickten Seglern. Laut Weißstorch-Monitoring von Birdlife Österreich gab es im Vorjahr in Österreich insgesamt 522 Horstpaare, vier Singles, die solo ein Nest besetzten, und 948 ausgeflogene Jungvögel.

Zusteller von Babys

Dass der Storch Babys bringt, glaubt zwar heute niemand mehr. Hoffe ich zumindest. Andererseits sind zum Beispiel auf Glückwunschkarten zur Geburt eines Kindes immer noch Störche abgebildet, die ein Tuch samt Baby im Schnabel halten. Und bei uns auf dem Land ist es Usus, frischgebackenen Eltern einen Holzstorch vors Haus zu stellen. Verrückt eigentlich. Aber nett. Die geflügelten Babyzusteller sind eine Mischung aus Märchen und Folklore. Entstanden zu einer Zeit, als viele (auch gelehrte) Menschen glaubten, dass Störche im Winter zum Mond fliegen oder sich unter Wasser verstecken. Wie 1822 nachgewiesen wurde, dass Störche Zugvögel sind, habe ich in einem früheren Blogbeitrag beschrieben.

Quizfrage zu "Kalif Storch"

Störche sind überhaupt beliebte Fabelwesen (Meister Adebar). In Wilhelm Hauffs Märchen Kalif Storch spielt ein Storch sogar die Hauptrolle. Aus der Geschichte, in der der Kalif zu Bagdad von einem Zauberer ausgetrickst wird und es ihm später heimzahlt, ergibt sich eine schöne Frage für die Millionenshow. Wie lautet der wahre Name des Kalifen Storch aus dem gleichnamigen Märchen von Wilhelm Hauff? A: Kara Ben Nemsi, B: Assi Nger, C: Chasid, D: Mutabor. (Michael Simoner, 12.6.2024)

Störche bauen ihr Nest
Das Nest wird ständig mit Füllmaterial erweitert. (1/500 Sek., f8, ISO 100, 300 mm)
Michael Simoner
Ein erwachsener und ein junger Storch im Nest
Junge Störche haben schwarze Schnäbel und Beine, bei adulten Vögeln sind sie rot. (1/500 Sek., f8, ISO 110, 300 mm)
Michael Simoner
Ein Storch im Flug
Mit einer Flügelspannweite von mehr als zwei Metern sind Weißstörche hervorragende Segler. (1/500 Sek., f8, ISO 100, 300 mm)
Michael Simoner
Störche auf einem Rauchfang
Der Tanz der Störche auf einem Rauchfang. Bei der Balz und zur Begrüßung biegen sie den Hals weit zurück und klappern mit dem Schnabel. (jeweils 1/320 Sek., f6.3, ISO 64, 300 mm)
Michael Simoner
Störche im Nest
In zwei Monaten sind diese Jungvögel vielleicht schon auf dem Weg nach Afrika. (1/500 Sek., f8, ISO 110, 300 mm)
Michael Simoner
Storch beim Kacken
Pffft! So gehen junge Störche aufs Klo. (1/500 Sek., f8, ISO 110, 300 mm)
Michael Simoner
Störche in einem Nest
Die Nistplattform auf einem Strommast wurde gut angenommen. Langsam wird es eng im Horst. (1/500 Sek., f8, ISO 110, 300 mm)
Michael Simoner
Störche auf einem Rauchfang
Und hier noch einmal die Dancing Stars. Zehn Punkte! (jeweils 1/320 Sek., f6.3, ISO 100, 300 mm)
Michael Simoner