Die Ergebnisse in Italien kamen am Sonntag spät. In der Zentrale von Fratelli d'Italia war dementsprechend nicht mehr rasend viel los.
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Italien hat bei den Europawahlen gegen den kontinentalen Trend abgestimmt: Während in Deutschland, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und in anderen Ländern die Rechte stark zulegte, werden in Italien die beiden Regierungsparteien Fratelli d'Italia und Lega gegenüber der letzten Wahl im Jahr 2019 in der Summe Wähleranteile einbüßen. Dies liegt hauptsächlich daran, dass in Italien der Rechtsruck schon vor fünf Jahren stattgefunden hatte, als die rechtsradikale Lega von Matteo Salvini 34,3 Prozent der Stimmen erzielte.

Die Lega ist - wie zuvor schon bei den Parlamentswahlen von 2022 - abgestürzt: Laut den ersten amtlichen Hochrechnungen erzielte sie mit ihrem Spitzenkandidaten Roberto Vannacci, einem homofeindlichen General und Mussolini-Fan, noch 8,5 Prozent. Die postfaschistischen Fratelli d'Italia von Regierungschefin Giorgia Meloni, die bei den Europawahlen von 2019 noch 6,5 Prozent erzielt hatten, kommen demnach auf 28,9 Prozent. Zählt man die Wähleranteile der beiden Rechtsparteien zusammen, ergibt sich gegenüber der letzten Europawahl ein Stimmenverlust in der Größenordnung von fünf Prozent.

Fünf Sterne stürzen ab

Gegenüber den Parlamentswahlen von 2022 konnten die Fratelli d'Italia ganz leicht zulegen - als eine der ganz wenigen Parteien der europäischen Regierungs- und Staatschefs. Innerhalb der italienischen Regierung ist Giorgia Meloni damit noch unangefochtener als zuvor. Ein uneinheitliches Bild ergibt sich bei den beiden größten Oppositionsparteien: Während der sozialdemokratische PD laut den Hochrechnungen auf 24,5 Prozent kommen und sein Wahlergebnis gegenüber 2019 klar verbessern wird, setzt die populistische Fünf-Sterne-Bewegung - bei den Parlamentswahlen von 2018 mit 31 Prozent noch stärkste Partei in Italien - ihren Krebsgang fort und landet bei 10,4 Prozent.

Richtig interessant wird es in Italien erst jetzt, nach der Wahl: Giorgia Meloni, Chefin der Fraktion der Konservativen und Reformer (EKR) im Europaparlament, wird sich entscheiden müssen, mit wem sie im neuen Europaparlament zusammenarbeiten wird. Die italienische Ministerpräsidentin wird sowohl von ganz rechts - von Marine Le Pen, der starken Frau in der Fraktion der Identitären (ID) - als auch von der Mitte aus heftig umgarnt: Ursula von der Leyen (EVP), die um ihre Wiederwahl in Kommissionspräsidium kämpft, sucht ebenfalls die Unterstützung von Meloni. Bisher hat sich die Italienerin nicht festgelegt; grundsätzlich steht ihr aber von der Leyen politisch näher als die Französin, deren Rassemblement National (RN) vom Kreml gesponsert wird.

Neuwahlen in Frankreich

Durch die Pariser Wahlzentrale des RN schallte es am Sonntagabend "On a gagné!" ("wir haben gewonnen!"). Die Rechtspopulistin Marine Le Pen und ihr junger Listenführer Jordan Bardella haben die Europawahlen in Frankreich mit rund 32 Prozent Stimmen haushoch gewonnen. Französische Medien sprachen von einem "historischen Sieg". Die Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Renaissance, kommt laut Hochrechnungen nur auf etwa 15 Prozent. Sie wird von den Sozialisten bedrängt, die mit Listenführer Raphaël Glucksmann (14 Prozent) überraschend stark abschneiden.

Macron brauchte nur eine Stunde, um auf diese ersten Prognosen zu reagieren: In einer kurzen Ansprache erklärte er um 21 Uhr, er löse die Nationalversammlung auf und ordne noch diesen Monat Neuwahlen an. Es stehe außer Zweifel: Die antieuropäischen Kräfte seien im Vormarsch begriffen, und man könne "nicht so tun, als hätte sich nichts geändert". Die Situation rufe deshalb nach einer "Klärung", sagte der Staatschef.

Zugewinne für AfD

In Deutschland kam die Union aus CDU und CSU auf Platz eins. Sie erreichte laut Hochrechnungen gut 30 Prozent, das ist gegenüber dem Jahr 2019, wo es 28,9 Prozent waren, ein leichter Zuwachs. Zulegen konnte die AfD, die vor fünf Jahren noch auf elf Prozent gekommen war. Sie landete bei knapp 16 Prozent – trotz der negativen Schlagzeilen im Wahlkampf.

Die liberale Bürgerkoalition (PO) hat laut Prognosen in Polen gewonnen. Auf die proeuropäische Partei entfielen 38,2 Prozent. Die nationalkonservative PiS lag mit 33,9 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei.

In Spanien hat sich ein knapper Erfolg der konservativen Volkspartei PP (Partido Popular) über die regierenden Sozialisten (PSOE) abgezeichnet. Laut Exit Polls dürfte die PP auf 32,4 Prozent kommen. Die Regierungspartei PSOE verbuchte demnach 30,2 Prozent.

In Dänemark hat die liberale Venstre-Partei 9,6 Prozentpunkte verloren und fiel auf 13,9 Prozent zurück. Zulegen konnte hingegen die sozialistische Volkspartei (18,4 Prozent). Die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen kamen auf 15,4 Prozent.

Wie die restlichen Mitgliedsstaaten gewählt haben, können Sie hier nachlesen. (Dominik Straub aus Rom, Stefan Brändle aus Paris, Birgit Baumann aus Berlin, red, 9.6.2024)