Es ist nicht lange her, da war der Name Nvidia abseits der IT- oder Gamingszene kaum jemandem ein Begriff. Denn das US-amerikanische Unternehmen, das vergangenes Jahr seit 30-jähriges Bestehen feierte, produziert vor allem Graphics Processing Units, kurz GPUs, die in Grafikkarten dafür sorgen, dass Videospiele und spezielle Anwendungen, etwa für Videoschnitt oder Ingenieurswesen, flüssig laufen.

Doch nun ist Nvidia in aller Munde. Denn die Bauweise der Grafikprozessoren eignet sich auch hervorragend, um KI-Modelle zu trainieren oder um sie darauf auszuführen. Der KI-Boom, der Anfang vergangenen Jahres eingesetzt hat, machte Nvidia zum inzwischen zweitwertvollsten Unternehmen der Welt. Wer heute Hardware braucht, um KI-Software darauf laufen zu lassen, bestellt bei Nvidia. Inzwischen ist Nvidia drei Billionen US-Dollar wert. Nur Microsoft ist, nach Börsenwert, noch größer.

Nvidia ist nun das Unternehmen mit der zweithöchsten Marktkapitalisierung.
REUTERS/Ann Wang

Eine Grafikkarte für 30.000 Dollar

Wobei die beiden Unternehmen stark aufeinander angewiesen sind. Denn die KI-Ambitionen von Microsoft spiegeln sich stark im Orderbuch von Nvidia nieder. Allein vergangenes Jahr soll Microsoft mehr als 150.000 H100-Prozessoren bestellt haben. Der H100 ist der so etwas wie der aktuelle Goldstandard, wenn es um KI-Hardware geht – und kostet pro Stück rund 30.000 US-Dollar. Auch der Facebook-Mutterkonzern Meta soll über 150.000 Stück geordert haben.

Wie fortgeschritten Nvidias Technologie ist, lässt sich auch an den Gewinnspannen des Unternehmens ablesen: Rund 77 Dollar Gewinn macht Nvidia pro 100 Dollar Umsatz. Beim H100 soll die Gewinnspanne sogar bei etwa 1000 Prozent liegen. Wobei sich diese Zahl nur auf die reinen Herstellungskosten bezieht – Nvidia hatte über die Jahrzehnte Milliarden in Forschung und Entwicklung gesteckt, die sich nun bezahlt machen.

Nvidia kann sich die hohen Aufschläge aber auch erlauben, da sich das Unternehmen sich aktuell in einer Quasi-Monopolstellung bei leistungsstarken KI-Chips befindet – und die Nachfrage da ist.

Dabei hat es für Nvidia zuerst gar nicht so gut ausgesehen. Während Gaming und Kryptowährungen – die teilweise ebenfalls auf GPUs "geschürft" werden – in der Corona-Zeit geboomt hatten, gingen die Erlöse Ende 2022 zunächst wieder zurück. Nun konnte Nvidia seinen Nettogewinn innerhalb eines Jahres mehr als versiebenfachen.

Nicht nur Hardware

Der Erfolg von Nvidia basiert aber nicht nur auf der Hardware, sondern auch auf der Software des Unternehmens. Bereits 2006 stellte Nvidia die Compute Unified Device Architecture, kurz Cuda, vor. Mit der Programmierplattform lässt sich Software für Nvidia-GPUs schreiben, was für rechenintensive Anwendungen – wie eben KI-Modelle – enorme Leistungsgewinne bedeutet.

Cuda ist damit zur bevorzugten Plattform für KI-Entwicklerinnen und -Entwickler geworden, auch weil viele andere Standardbibliotheken Cuda verwenden. Laut Nvidia wurde Cuda im vergangenen Jahr mehr als 25 Millionen Mal heruntergeladen – mehr als doppelt so oft wie bis dahin insgesamt.

Nvidia kommt bei leistungsfähigen KI-Chips auf einen Marktanteil von über 90 Prozent – dieses Quasi-Monopol wollen einige der derzeit größten Kunden von Nvidia nun brechen. Google, Meta, Microsoft und Apple nehmen Milliarden in die Hand, um eigene Chips zu entwickeln und so weniger abhängig vom Marktführer zu sein. Ob das gelingt, ist fraglich – denn Nvidia hat sich über die Jahre einen enormen Wissens- und Erfahrungsvorsprung aufgebaut.

Chips-Politik

Längst haben Computerchips auch geopolitische Dimensionen angenommen. Denn obwohl Nvidia seinen Hauptsitz im Silicon Valley hat, besitzt das Unternehmen keine eigenen Fabriken. Produziert wird stattdessen bei Auftragsfertigern für Halbleiter, im Falle von Nvidia bei Samsung, vor allem aber bei TSMC.

Das taiwanesische Unternehmen ist der mit Abstand größte Chiphersteller der Welt. Bei einer chinesischen Invasion auf der Insel würden die globalen Lieferketten für KI-Chips zweifelsohne ins Schleudern geraten. Einige Staaten, darunter die USA und Deutschland, versuchen daher, mit Milliardensubventionen die Chipindustrie stärker innerhalb der eigenen Grenzen zu verankern.

Einige sehen in den aktuellen Entwicklungen aber bereits eine KI-Blase, die bald zu zerplatzen droht. Einerseits, da die Geschichte zeigt, dass KI-Entwicklungen stets in Wellen verliefen: Nachdem sich anfängliche Erwartungen als überzogen herausgestellt hatten, folgte auf Hype-Phasen immer ein "KI-Winter", in denen das Thema in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend verblasste.

Zum anderen ist immer noch nicht ganz klar, wie die IT-Giganten die Milliarden, die sie aktuell in Künstliche Intelligenz stecken, eigentlich zurückverdienen wollen. Denn so richtig Geld macht mit generativer KI derzeit niemand. Außer eben Nvidia. (Philip Pramer, 10.6.2024)