US-Außenminister Antony Blinken in Jordanien.
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Von weitem betrachtet sind sich alle einig: Der Krieg in Gaza muss ein Ende haben. Das forderte auch der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution, mit der die Kriegsparteien aufgefordert wurden, den Waffenstillstandsplan von US-Präsident Joe Biden umzusetzen.

US-Außenminister Antony Blinken ist derzeit im Nahen Osten, um Druck für einen Deal zu machen. Benjamin Netanjahu soll Blinken Montagabend diesbezüglich "noch einmal seine Bereitschaft versichert" haben, erklärte Blinken nach einem Gespräch mit Israels Premier.

Dienstagvormittag kam dann endlich auch eine Antwort der Hamas. Ein Sprecher der Terrororganisation erklärte gegenüber Reuters, dass man die UN-Resolution respektiere und bereit sei, über weitere Details zu verhandeln. Genau in diesen Details steckt jedoch der Sprengstoff, der das Waffenstillstands-Geiselbefreiungs-Paket noch in die Luft zu jagen droht, bevor es überhaupt geschnürt ist.

Empörtes Dementi

Das zeigte sich überdeutlich in jener Debatte, die ein Leak des israelischen Nachrichtensenders 12 Montagabend auslöste. Das Leak machte ein vierseitiges Dokument öffentlich, bei dem es sich um den Verhandlungsentwurf für jenen Waffenstillstandsdeal handeln soll, dem Israel bereits im Mai zugestimmt hat. Darin heißt es, dass Israel bereit sei, den Krieg selbst dann zu beenden, wenn noch nicht alle Geiseln befreit seien.

Aus dem Büro Netanjahus kam ein promptes, empörtes Dementi. Die Behauptung, dass Israel den Krieg beenden würde, ohne all seine Ziele erreicht zu haben, sei "komplett gelogen". Auch aufseiten der Hamas ist noch alles offen, solange ihre Führung in Gaza sich nicht zu den Details geäußert hat. Der von Reuters zitierte Sprecher der Hamas befindet sich außerhalb des Gazastreifens. Unter anderem spießt es sich an der Frage, welche Hamas-Terroristen konkret aus israelischen Gefängnissen entlassen werden.

Blinken macht jedenfalls erheblich Druck, dass ein Deal zustande kommt. Klar ist, dass ein militärischer Einsatz Israels, wie er am vergangenen Samstag in Nuseirat im Zentrum des Gazastreifens gelang, die Geiselfrage keinesfalls lösen kann – vor allem wegen der hohen Opferzahl auf palästinensischer Seite.

Fünfmal so viele Patienten

Laut UN-Angaben sind die Krankenhäuser in Deir al-Balah und Khan Yunis von den hunderten Verwundeten infolge des israelischen Armeeeinsatzes überwältigt. Das Al-Aqsa-Spital in Deir al-Balah müsse derzeit fünfmal so viele Patienten stationär behandeln, wie es seiner Kapazität entspricht – und das noch dazu mit weniger Material und Personal als in Vorkriegszeiten, heißt es. Die Lage in dem Spital sei "ein absoluter Albtraum", sagt Samuel Johann, Koordinator von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Gaza.

Überfülltes Krankenhaus in Deir al-Balah.
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Bei dem Spezialeinsatz der israelischen Armee und Polizei waren vier Geiseln befreit worden. Die Zahl der dabei getöteten Palästinenser wird von Hamas-kontrollierten Behörden in Gaza auf über 270 geschätzt, Israels Armee spricht von rund hundert Toten, ohne zu beziffern, wie viele von ihnen Zivilisten sind. Überprüfbar sind all diese Angaben nicht. Seit Beginn des Kriegs dürfen keine ausländischen Journalisten in den Gazastreifen einreisen, um dort eigenständig zu recherchieren.

Blinkens Aufenthalt in Israel diente auch dazu, eine Strategie für den Tag danach in Gaza zu definieren. Die Gespräche waren von massivem Beschuss Nordisraels durch die Hisbollah im Libanon überschattet. Mehr als fünfzig Raketen wurden auf Galiläa abgefeuert, zudem gab es Drohnenalarm in der nordisraelischen Großstadt Haifa. Zuvor hatte Israel Hisbollah-Ziele im Norden des Libanon beschossen. Blinken zeigte sich besorgt über eine mögliche "Ausweitung des Konflikts". (Maria Sterkl aus Jerusalem, 11.6.2024)