Diese Überreste eines Mannes wurden im Gräberfeld von Göttlesbrunn in Niederösterreich gefunden. Er starb zwischen 350 und 250 v. Chr. Es ist der älteste Nachweis eines Malaria-Falls auf heutigem österreichischem Staatsgebiet.
APA/UNIVERSITÄT WIEN/MACIEJ KARWOWSKI

Malaria ist eine der tödlichsten Krankheiten der Welt mit jährlich rund 250 Millionen Infektionen und über 600.000 Toten. Heute ist die Krankheit in unseren Breiten nicht mehr heimisch, doch vor gerade einmal hundert Jahren war gut die Hälfte der Landfläche der Erde betroffen, darunter Teile der heutigen USA, des Südens Kanadas, Skandinaviens und Sibiriens.

Über die Verbreitungsgeschichte ist dennoch wenig bekannt. An Skeletten hinterlässt Malaria keine sichtbaren Spuren, und schriftliche Quellen sind schwierig zuzuordnen. Doch seit kurzem weiß man, dass Spuren von Krankheitserregern, die sich im Blut von Erkrankten befinden, in deren Zähnen gespeichert werden können, wo sie der Wissenschaft für genetische Analysen zugänglich sind.

Genetik zeigt Ausbreitungswege

Diesem Zugang widmete sich nun ein Team von 80 Forschungsinstitutionen aus 21 Ländern. Man untersuchte die Überreste von 36 mit Malaria infizierten Menschen aus fünf Kontinenten, die innerhalb einer Zeitspanne von 5500 Jahren lebten. Der Nachweis und die Bestimmung von Erbgut der Malaria-auslösenden Parasiten in diesen Individuen erlaubte es erstmals, die Ausbreitungswege des Erregers nachzuvollziehen. Darüber berichten die Forschenden in einer Studie im Fachjournal Nature.

Malaria ist heute in tropischen Regionen der amerikanischen Kontinente anzutreffen. Woher der Erreger kam, war aber bisher umstritten. Eine Untersuchung der Überreste einer Person in den östlichen Anden Perus zeigte nun eine Variante des Malaria-Erregers, die einem früher in Europa heimischen stark ähnelt. Das legt nahe, dass europäische Kolonisatoren diesen bereits rund um das erste Jahrhundert nach ihrem erstmaligen Eintreffen auf dem Kontinent verbreiteten.

Für die einheimische Bevölkerung sei das ein großes Problem gewesen, sagt Co-Autorin Evelyn Guevara von der Universität Helsinki und dem deutschen Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie: "Verstärkt durch die Auswirkungen von Kriegen, Versklavung und Vertreibung der Bevölkerung haben Infektionskrankheiten, einschließlich Malaria, die indigenen Völker Amerikas während der Kolonialzeit schwer getroffen, wobei die Sterblichkeitsrate mancherorts bis zu 90 Prozent betrug."

Zudem wurden Parallelen des genannten Erregers aus den Anden mit einem Erreger aus Peru 400 bis 500 Jahre später gefunden. "Unsere Daten lassen darauf schließen, dass der Erreger sich dort wohlfühlte und Parasiten hervorbrachte, die heute noch Menschen in Peru infizieren", sagt Eirini Skourtanioti vom Max-Planck-Institut.

Soldatenbewegungen

Während der Kolonialismus den Erreger zwischen Kontinenten verbreitete, gab es auch innerhalb Europas Verbreitung der Malaria durch militärische Bewegungen. Bei der Kathedrale Sint Rombout im belgischen Mechelen befand sich das erste permanente Militärspital der europäischen Neuzeit. Dort fand man in den Überresten mehrerer Individuen Reste von Malaria-Erregern.

"Besonders interessant ist, dass wir mehr Malaria-Fälle bei männlichen Personen aus der Zeit der Militärkrankenhäuser beobachtet haben, die nicht aus der Gegend stammen", erklärt Co-Autorin Federica Pierini vom Max-Planck-Institut. "Wir haben auch mehrere Personen identifiziert, die mit einem Erreger einer Art infiziert waren, die vor der Ausrottung im mediterranen Klima heimisch war, von der man aber nicht annahm, dass sie in dieser Zeit nördlich der Alpen endemisch war."

Bei den Personen handelte es sich um Männer aus dem Mittelmeerraum, die vermutlich aus Norditalien, Spanien oder anderen Mittelmeerländern für den Krieg der Habsburger-Armee von Flandern im Achtzigjährigen Krieg rekrutiert worden waren.

Eine künstlerische Darstellung des Lebens eines an Malaria verstorbenen Individuums namens CHO001, angefertigt vom Künstler Purna Lama aus Katmandu.
Purna Lama, Boudha Stupa Thanka Centre, Kathmandu, Nepal

Frühe "Flughafen-Malaria"

Alexander Herbig vom Max-Planck-Institut sieht Parallelen zur sogenannten Flughafen-Malaria, bei der Reisende den Erreger verbreiten: "Wir sehen, dass diese großen Truppenbewegungen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Malaria in dieser Zeit spielten."

Reisetätigkeit spielte auch bei dem ältesten gefundenen Fall einer bestimmten Malaria-Variante eine Rolle. Der infizierte Mann wurde nämlich in einer in Nepal gelegenen Stätte namens Chokhopani auf 2800 Metern Seehöhe gefunden, in einer trockenen, kalten Region. "Weder der Parasit noch die Moskitos, die Malaria übertragen, können in dieser Höhe überleben", sagt Christina Warinner von der Universität Harvard, die am Max-Planck-Institut arbeitet. Das habe die Frage aufgeworfen: "Wie konnte sich das Chokhopani-Individuum mit der Krankheit infizieren, die es letztlich tötete?"

Man vermutet, dass die heute schwer zugängliche Region früher eine Reiseroute über den Himalaya darstellte, die das tibetische Plateau mit dem indischen Subkontinent verband. Funde bestätigen das Vorhandensein weitreichender Handelsbeziehungen. Der Mann dürfte sich also in einem niedriger gelegenen Malaria-Gebiet infiziert haben, bevor er in höhere Lagen zurückkehrte oder zurückgebracht wurde, um dort begraben zu werden.

Malaria im heutigen Österreich

Auch ein österreichisches Team mit Beteiligungen des Österreichischen Archäologischen Institut der Akademie der Wissenschaften und der Anthropologie-Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien konnte Spuren des Malaria-Erregers in zwei Skeletten nachweisen. Das ältere der beiden stammt aus einem Gräberfeld in Göttlesbrunn und gehört einem Mann, der zwischen 350 und 250 vor Christus starb.

"Das mit P. falciparum infizierte Individuum aus Grab 13 des frühlatènezeitlichen Gräberfelds von Göttlesbrunn war ein erwachsener Mann, der in der späten Eisenzeit im Alter von 25 bis 45 Jahren verstorben ist", sagt Co-Autorin Estella Weiss-Krejci vom Österreichischen Archäologischen Institut und der Universität Heidelberg. Es handle sich dabei nicht nur um den ältesten Malaria-Fall Österreichs, "sondern auch um den "weltweit zweitältesten nachgewiesenen Fall einer P.-falciparum-Infektion".

Der Fund wurde im Rahmen von Rettungsgrabungen in den Jahren 2016, 2018 und 2020 gemacht, bei denen 24 Gräber freigelegt wurden. Auch hier müssten Handelsbeziehungen mit dem Mittelmeerraum eine Rolle gespielt haben, ist die Forscherin überzeugt. "Anders ist die Infektion nicht zu erklären."

Ein zweiter Fall einer Frau nahe dem niederösterreichischen Kamp stammt aus dem neuten Jahrhundert nach Christus. Hier war die Quelle des untersuchten Erbguts kein Zahn, sondern ein Körperstein. Die Forschenden vermuten, dass es sich um ein verkalktes Uterusmyom handelte, einen weitverbreiteten gutartigen Tumor.

Genetisches Erbe

"Das Erbe der Malaria ist in unseren Genomen eingeschrieben", sagt Studienerstautorin Megan Michel vom Max-Planck-Institut. "Es wird angenommen, dass genetische Varianten, die für verheerende Blutkrankheiten wie die Sichelzellenkrankheit verantwortlich sind, in menschlichen Populationen fortbestehen, weil sie eine teilweise Resistenz gegen Malaria-Infektionen verleihen."

Dennoch ist über die Ursprünge und Verbreitung der beiden tödlichsten Varianten des Malaria-Erregers, Plasmodium falciparum und Plasmodium vivax, wenig bekannt. Die neue Studie kann nun etwas mehr Licht in die Sache bringen.

"Wir sehen, wie Mobilität und Bevölkerungsverschiebung die Malaria in der Vergangenheit verbreitet haben, so wie die moderne Globalisierung Malaria-freie Länder und Regionen heute anfällig für eine Wiedereinführung macht", sagt Studienautor Johannes Krause, Leiter der Abteilung für Archäogenetik am Max-Planck-Institut. "Wir hoffen, dass die Erforschung alter Krankheiten wie Malaria ein neues Fenster zum Verständnis dieser Organismen öffnet, die unsere heutige Welt weiterhin prägen." (Reinhard Kleindl, 12.6.2024)