Ein Rouletterad dreht sich.
Dem Sportwetten- und Glücksspielanbieter droht im schlimmsten Fall die Zwangsversteigerung seiner eigenen Website.
REUTERS / Francois Lenoir

Mit dem Glücksspiel im Internet ist das in Österreich so eine Sache: Abseits von Win2day, dem Anbieter der Casinos Austria, sind hierzulande alle Onlinekasinos illegal. Spielerinnen und Spieler, die Verluste erleiden, können ihr verlorenes Geld deshalb zurückklagen. Das Problem: Glücksspielanbieter wie Mr. Green wollen partout nicht zahlen, weil sie sich trotz eindeutiger Urteile der Höchstgerichte im Recht sehen.

Im aktuellen Fall einer Frau, die rund 30.000 Euro verspielte, führt das nun zu einer absurd klingenden Situation: Der Oberste Gerichtshof (OGH) erlaubte der Spielerin in einer aktuellen Entscheidung, die Domain von Mr. Green bei einem österreichischen Gericht pfänden zu lassen. Das ist mittlerweile auch erfolgt. Ein endgültiger, rechtskräftiger Beschluss steht zwar noch aus, doch Mr. Green steht mit dem Rücken zur Wand. Im schlimmsten Fall droht dem britischen Glücksspiel- und Sportwettenriesen die Fremdversteigerung seiner eigenen Website.

Eskalation mit Malta

Der aktuelle Fall wuchtet den Konflikt zwischen Glücksspielern und illegalen Onlinekasinos auf eine neue Eskalationsstufe. Seinen Ursprung hat der Streit im österreichischen Glücksspielrecht: Österreich hat sich vor Jahren dazu entschieden, Onlinekasinos stark zu reglementieren. Der Staat vergibt eine einzige Online-Lizenz, die derzeit die Casinos Austria innehaben.

Andere Glücksspielanbieter, die meist mit einer maltesischen Lizenz auftreten, argumentieren, dass diese Regelung der EU-Dienstleistungsfreiheit widerspricht. Doch der Oberste Gerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof erteilten diesem Standpunkt eine Absage. Auch der Europäische Gerichtshof entschied bereits, dass in heiklen Bereichen wie dem Online-Glücksspiel Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zulässig sind.

Spieler, die von Österreich aus an illegalen Online-Glücksspielen teilnehmen, können ihre Spielverluste deshalb nach österreichischem Recht erfolgreich einklagen. Das Problem: Für die Durchsetzung dieser Urteile wäre Malta zuständig, und ein neues maltesisches Gesetz verbietet es maltesischen Behörden und Gerichten, die österreichischen Urteile anzuerkennen. Malta will mit dem Gesetz offenbar die eigene, starke Glücksspielbranche schützen, doch Fachleute erachten das Regelwerk als klar EU-rechtswidrig. Die EU-Kommission prüft derzeit, ob das maltesische Gesetz mit EU-Recht vereinbar ist, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Möglich ist auch, dass maltesische Gerichte das Gesetz dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung vorlegen.

Zugriff auf Websites

All das wird allerdings noch dauern. Was bleibt, ist, dass österreichische Glücksspielurteile vorerst nur schwer in Malta durchsetzbar sind – im Widerspruch zum Grundprinzip der justiziellen Zusammenarbeit in der EU. Den österreichischen Obersten Gerichtshof veranlasste das im aktuellen Fall zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er entschied mit einer sogenannten Ordination, dass die Ansprüche gegen Mr. Green nicht nur beim eigentlich zuständigen Gericht in Malta durchgesetzt werden können, sondern auch in Österreich. Weil Mr. Green hierzulande aber kein nennenswertes Vermögen hat, auf das man im Zuge einer Exekution zugreifen könnte, bleiben nur die Domains. Diese stellen per se einen Wert dar und könnten in einer Zwangsversteigerung theoretisch an einen Konkurrenten verkauft werden.

Ob es letztlich dazu kommt, ist offen. Zum einen wären da technische Hürden. Der Zugriff auf die österreichische Website von Mr. Green dürfte einfacher sein als der Zugriff auf die internationale Hauptwebsite, die im Ausland registriert ist. Möglicherweise ist die Einbindung weiterer Staaten notwendig, die die Entscheidungen anerkennen müssten, erklärt Rechtsanwalt Sven Thorstensen, der im aktuellen Fall den Spieler vertreten hat, auf Anfrage des STANDARD. "Wir sind da rechtlich auf ziemlichem Neuland und tasten uns voran." Parallel dazu läuft weiters ein Verfahren in Malta. "Ich vertraue nach wie vor auf die Vernunft der maltesischen Gerichtsinstanzen", sagt Thorstensen.

Mr. Green stünde es freilich jederzeit frei, die 30.000 Euro doch noch zu zahlen. Sollte tatsächlich der Verlust der eigenen Website drohen, wird man das seitens des Unternehmens wohl tun. Für Glücksspieler, die Verluste erlitten haben, wäre das eine gute Nachricht: Sie hätten in künftigen Fällen ein Druckmittel gegen Mr. Green und andere illegale Onlinekasinos, die nach wie vor nicht freiwillig zahlen. DER STANDARD wollte von Mr. Green wissen, warum man nach alledem weiter auf seinem Standpunkt bleibt und rechtskräftige österreichische Urteile nicht anerkennt. Bislang gab es dazu seitens des Unternehmens keine Rückmeldung.

Wetten erlaubt

Andere Online-Anbieter erkennen Österreichs Urteile sehr wohl an und sind bereit, Spielverluste zurückzuzahlen – auch wenn sie die Rechtslage grundsätzlich kritisieren. Derzeit bedienen illegale Onlinekasinos rund die Hälfte des österreichischen Marktes. Viele von ihnen zahlen in Österreich Steuern, obwohl sie ihre Leistung eigentlich gar nicht anbieten dürften. Bei Sportwetten ist die Rechtslage übrigens anders: Ausländische Anbieter dürfen zwar keine Onlinekasinos anbieten, sehr wohl aber Wetten. Wer sich bei der Europameisterschaft verzockt, darf also nicht auf gerichtliche Hilfe hoffen. (Jakob Pflügl, 18.6.2024)