Katharina Mau geht der Frage nach, wie wir der Erschöpfung der Erde entgegenwirken können.
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Globale Bedrohungen wie den Klimawandel und das Artensterben können wir als Einzelne gar nicht wahrnehmen und verstehen. Es braucht dazu die Erkenntnisse der Wissenschaft, vorrangig in Form der Sachstandsberichte des Weltklimarats (IPCC) und des Weltbiodiversitätsrats (IPBES). Aber hier stoßen wir auf das gravierende Problem der Vermittlung: Für Laien sind solche Berichte und wissenschaftliche Studien wegen ihrer Fachsprache und – gerade im Fall der IPCC-Berichte – ihrer sehr umfangreichen Darstellung so gut wie unzugänglich. Das Gleiche gilt für die Fachdiskussionen zu Fragen der ökonomischen und sozial-ökologischen Transformation. Dabei geht es nicht um irgendeine akademische Spezialdiskussion unter anderen: Das Überschreiten mehrerer planetarer Grenzen macht diese Transformation zur zentralen Herausforderung für die Zukunft der Menschheit. Es geht um nichts Geringeres als die Bewohnbarkeit der Erde.

Epochaler Umbau

In dieser Situation kommt der Wissenschaftskommunikation eine entscheidende Rolle zu. Es braucht die auch für Otto Normalverbraucher, für jeden klare und verständliche Vermittlung, was den notwendigen Umbau der Wirtschaft, der Arbeitswelt, der sozialen Sicherungssysteme, der Landwirtschaft usw. angesichts der planetaren Krise betrifft. Es ist eine eminent demokratische Frage, ob Bürgerinnen und Bürger eigenständig und mündig überblicken, beurteilen und verstehen können: Welche Optionen stehen für diese Transformation zur Verfügung? Welche strukturellen Entscheidungen stehen an? Was beinhalten sie? Nur so ist die Zivilgesellschaft in der Lage, bei diesem epochalen Umbau mitzureden und ihn mitzugestalten, statt ihn allein der Wirtschaft und dem Staat zu überlassen. Es geht um gesellschaftliche Aufklärung im Anthropozän.

Verständliches Fachwissen

So betrachtet ist das neue Buch der deutschen Journalistin Katharina Mau ein Glücksfall. Ausgebildet sowohl in Volkswirtschaftslehre als auch in Journalismus, mit einem Schwerpunkt auf Klimajournalismus, kombiniert sie ökonomisches Fachwissen und professionelle Wissenschaftskommunikation. Auf dieser soliden Basis stellt sie die zentralen Aspekte und Fragen neuer ökonomischer und gesellschaftlicher Strukturen als Alternative zum bisherigen Wachstumsmodell dar.

Verknüpfte Bereiche

Mau macht das mit einer erfrischend klaren, verständlichen Sprache und in sehr konziser Weise. Die wichtigste Leistung ihres Buches: Anders als Spezialdarstellungen zu einzelnen Themenbereichen schaut sie die verschiedenen Bereiche der Transformation zusammen und verknüpft sie in konsistenter Weise: von der Wirtschaft und der Arbeitsweise von Unternehmen über die Arbeitswelt und die sozialen Sicherungssysteme bis zur Erneuerung der Demokratie und zum Finanzsystem usw.

Der rote Faden ist die Frage: Wie können wir die Erschöpfung systemisch beenden – sowohl die Erschöpfung der Tragfähigkeit der Erde im Zeitalter der "Großen Beschleunigung" wie die Erschöpfung von Menschen in einer entgleisten Wirtschafts- und Arbeitswelt im globalen Turbokapitalismus?

Katharina Mau, "Das Ende der Erschöpfung. Wie wir eine Welt ohne Wachstum schaffen". € 23,50 / 232 Seiten. Löwenzahn-Verlag, Innsbruck 2024
Löwenzahn Verlag

Gegen eine Verengung

Mit diesem Zugang wendet sich Katharina Mau gegen eine Verengung der öffentlichen Diskussion auf den Klimanotstand – es gehe vielmehr um eine zukunftsfähige Veränderung des gesamten Wirtschaftens und der Lebensform vor allem im Globalen Norden. Sie positioniert sich klar für eine Degrowth-Transformation, auf Basis der aktuellen internationalen Forschung dazu.

Dass diese Diskussion mittlerweile auch in Österreich vom Rand ins Zentrum zu rücken beginnt, zeigt die erste österreichische Konferenz "Beyond Growth", die am 13. Mai im Parlament eröffnet wurde und die der gleichnamigen Konferenz vor genau einem Jahr im Europäischen Parlament folgt.

52 Jahre sind seit dem Erscheinen des Club-of-Rome-Berichts Limits of Growth vergangen. 28 Jahre seit dem Erscheinen des Pionierwerks Beyond Growth (deutsch: Wirtschaft jenseits von Wachstums, 1999) des Begründers der ökologischen Ökonomie, Herman E. Daly. Erst jetzt – vor allem unter dem furchterregenden Eindruck des galoppierenden Zusammenbruchs des globalen Klimasystems und des beschleunigten Artensterbens – wird die Zeit reif für eine grundlegende Wende. Das Buch leistet dazu einen bedeutenden Beitrag. (Ernst Fürlinger, 15.6.2024)