Mit der Verabschiedung einer Erklärung zur Ukraine endete am Sonntag eine internationale Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock am Vierwaldstätter See in der Schweiz. Darin wird die Sicherstellung ukrainischer Nahrungsmittelexporte als Beitrag zur Ernährungssicherheit in der Welt, die Sicherheit von Atomkraftwerken und der vollständige Austausch von Kriegsgefangenen beziehungsweise die Rückkehr aller nach Russland verschleppten Kinder gefordert. "Sie müssen in die Ukraine zurückgebracht werden", sagte die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd, die den Vorsitz führte, zum Abschluss.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betrachtet das Treffen auf dem Bürgenstock als ersten Erfolg.
REUTERS/Denis Balibouse

Russland wird im "Communiqué von Bürgenstock" für den Krieg verantwortlich gemacht. Der Angriff gegen die Ukraine sei eine klare Verletzung des Völkerrechts. Betont wird die Garantie der Souveränität von Staaten, die von Russland verletzt worden sei. Darin waren sich alle Teilnehmer einig. Allerdings wurde am Ende des zweitägigen Treffens nicht die ursprünglich angestrebte Einstimmigkeit zur Erklärung erzielt, wie Amherd erklärte. 83 Teilnehmer unterstützten das Papier, darunter auch Österreich, das durch Bundeskanzler Karl Nehammer vertreten war. Auch die übrigen EU-Staaten, die USA sowie Vertreter aus Afrika, Lateinamerika und Asien sprachen sich dafür aus.

Erstmals Frieden auf der Agenda

Jedoch vermochte man sich in der Frage, inwieweit Russland beim weiteren Vorgehen in den Friedensprozess einbezogen werden könnte, nicht einigen. Auch ist noch unklar, wann und wo es eine Folgekonferenz geben könnte. Von Teilnehmern wurden Saudi-Arabien und die Türkei als mögliche Veranstalter ins Spiel gebracht. Amherd betonte dennoch, dass zum ersten Mal in diesem Format über Frieden gesprochen wurde – und nicht wie bisher nur über militärische und finanzielle Hilfen für die Ukraine.

Wenig überraschend war freilich, dass Südafrika, Brasilien, die Golfstaaten, Indien und Indonesien die Abschlusserklärung nicht unterstützten. Sie hatten schon bisher Distanz zu den vom Westen verhängten Maßnahmen gegen Russland gehalten. Diplomaten werteten es am Rande der Konferenz dennoch als Erfolg, dass sie überhaupt in die Schweiz gekommen waren und teilnahmen, wenn auch nicht auf Ebene der Regierungschefs. Saudi-Arabien und Katar gelten als mögliche Schlüsselstaaten, wenn es in Zukunft darum gehen soll, Verbindungen zu Russland aufzubauen.

Nach wie vor nicht eingebunden ist China, das sich als treuer Partner Russlands erweist. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte die Konferenz bereits im Vorfeld als überflüssig bezeichnet. Er sei zu Gesprächen bereit, hatte er im Vorfeld verlauten lassen, wenn die Ukraine auf die von der russischen Armee eroberten vier Oblaste im Osten des Landes verzichten würde und zur Demilitarisierung bereit sei. Kanzler Nehammer wertete dies als "Diktat", das Gespräche verhindere. Jake Sullivan, der Sicherheitsberater des Weißen Hauses, sprach davon, dass es Putin an jeglicher Moral fehle.

Selenskyj bat um Treffen

An der Konferenz hatten die Vertreter von 90 Staaten und acht internationalen Organisationen wie UN, EU, Europarat oder OSZE teilgenommen, darunter fast 57 Staats- und Regierungschefs. Es handelte sich um die größte derartige Konferenz seit Ausbruch des Kriegs im Februar 2022. Sie wurde vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj persönlich erbeten.

Dieser wertete die Konferenz in einer Abschlussrede als Erfolg. Es sei möglich, erste Schritte in Richtung Frieden zu machen, wenn die genannten humanitären Maßnahmen umgesetzt würden und der Wiederaufbau des Landes vorbereitet werde. Wörtlich sprach er von einer "zweiten Friedenskonferenz", die es geben werde. Mehrere Länder hätten sich als Ausrichter angeboten.

Selenskyj betonte gleichzeitig, dass die von Putin genannten Bedingungen inakzeptabel seien. Es werde "keinen nachhaltigen Frieden ohne territoriale Integrität der Ukraine geben".

Dialog "auf Augenhöhe"

Wenig deutet also gegenwärtig auf die baldige Aufnahme echter Friedensverhandlungen hin. In der Schlusserklärung wird dennoch darauf gepocht, dass Frieden nur erreicht werden könne, wenn "alle involvierten Parteien in den Dialog eingebunden sind", also auch Russland. Indem die Nahrungsversorgung und der Export aus der Ukraine wie auch die Atomkraftwerke vor Kriegshandlungen geschützt werden, sollen dafür erste Schritte gesetzt werden, so die Hoffnung der Teilnehmer.

Österreichs Vertreter Karl Nehammer betonte zum Abschluss, es sei vor allem wichtig gewesen, dass die USA und die europäischen Partner mit Staaten aus Afrika, Lateinamerika und Asien in einen besseren, konstruktiven Dialog "auf Augenhöhe" getreten seien. Die Konferenz habe deutlich gemacht, dass der Krieg in der Ukraine weltweite Auswirkungen habe. Die betroffenen Länder hätten auch darauf aufmerksam gemacht und wollten gehört werden. Im Zuge einer Friedenslösung müsse das mitbedacht werden, die Bemühungen müssten auf eine breitere Basis gestellt werden. Dazu brauche man Länder wie Brasilien oder Indien, betonte der Bundeskanzler. Bevor es zu einer Friedenskonferenz auch unter Einbindung Russlands kommen könne, seien noch einige Zwischenschritte nötig. (Thomas Mayer vom Bürgenstock, 16.6.2024)