Alle Handys sind auf Jordan Bardella gerichtet, den französischen Spitzenkandidaten des rechtsextremen Rassemblement National, hier in einer Aufnahme im März in Marseille.
Alle Handys sind auf Jordan Bardella gerichtet, den französischen Spitzenkandidaten des rechtsextremen Rassemblement National, hier auf einer Aufnahme vom März in Marseille.
AFP/CHRISTOPHE SIMON

Juliette, 27 Jahre alt, fährt nach Marseille: "Das ist mein erstes Meeting", sagt die junge Frau voller Stolz und Vorfreude. Sie freut sich auf die Begegnung mit Jordan Bardella, dem 28-jährigen Vorsitzenden des Rassemblement National (RN). Laut jüngsten Meinungsumfragen liegt die rechtsextreme Partei in Frankreich mit 29,5 Prozent in Führung, knapp vor der Volksfront, dem Bündnis linker Parteien. Bei der kommenden Neuwahl geht Bardella als Spitzenkandidat für die Partei ins Rennen. Bei der Europawahl schnitt der RN unter jungen Leuten besonders gut ab. Woher die Faszination für die Bewegung kommt und wie sich die Partei die Stimmung insbesondere auf dem Land und in Kleinstädten zunutze macht, zeigt die Doku Frankreich: Die neue rechte Jugend, zu sehen in der Arte-Mediathek.

Juliette lebt auf dem Land, in der Region um St. Etienne. Sie ist Alleinerzieherin. Nach Marseille wird sie begleitet von Tom, einem 21-jährigen Landwirt, Cassandra, einer 17-jährigen Gymnasiastin, und Adrien, einem 24-jährigen Zeitarbeiter. Bardella ist ihr Idol. Auf Tiktok hat er mehr als eine Million Abonnentinnen und Abonnenten. Die Begeisterung von Juliette und den anderen ist grenzenlos, ebenso die der Gleichgesinnten, die sie in Marseille bei einer Wahlveranstaltung treffen. "Ich liebe ihn!", jubeln junge Frauen. "Der strahlt wirklich etwas aus", schwärmt Cassandra. "Er ist nett, witzig, hat auch Humor." Warum sie RN wählen, wissen sie genau: "Wir sind hier in Frankreich, und da ist es normal, dass die Franzosen zuerst kommen", sagt Cassandra. "Mehr Migranten machen uns Angst, wir wollen sie hier auf dem Land nicht", sagt Tom. Als Faschisten oder Rassisten will er sich nicht bezeichnen lassen: "Ich finde das verletzend."

Zu sehen sind die Jugendlichen, wie sie in der Nacht heimlich Plakate für Bardella und Marine Le Pen kleben und tagsüber Flyer verteilen, was zumindest in der Doku eine mühsame Angelegenheit zu sein scheint. Ihnen gemeinsam ist eine nachvollziehbare Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen und der teils naiv ausgedrückte Glaube, mit dem RN und Bardella an der Macht würden sich alle ihre Probleme lösen. Die Doku entstand noch vor der Wahl, überholt wirkt sie deshalb jedoch nicht. Im Gegenteil: Der Rausch, dem die Jungen erliegen, hat sich wahrscheinlich durch den Erfolg erhöht. (Doris Priesching, 24.6.2024)