Zu sehen ist Dirigent Lorenzo Viotti.
Dirigent Lorenzo Viotti gab sich effektvoll und energisch.
Dutch National Opera/Danielle van Coevorden

Nach dem ersten Stück war garantiert jedes Staubkörnchen vom Bühnenboden des Musikvereins weggeweht worden. Nikolai Rimskij-Korsakows Capriccio espagnol bot auch reichlich Gelegenheit, herzhaft zuzulangen, und Dirigent Lorenzo Viotti kostete die Dezibelmöglichkeiten bei seinem philharmonischen Debüt punktuell emphatisch aus.

Das beschwingte Stück, das wie eine stilisierte, symphonisch eingerahmte spanische Folklorefantasie tönt, bot dem Orchester mit seinem hitzigen Charakter auch die Möglichkeit, im Streicherklang etwas herber zu klingen. Gut so. Die Philharmoniker zeigten gleichsam feuriges Engagement abseits von Gemütlichkeit und Routine. Dabei hatte auch Konzertmeister Volkhard Steude den Solopart impulsiv im Griff.

Mehr als Bombast

Dass er nicht nur im Bombastischen effektvoll zu agieren versteht, zeigte Viotti bei Sergej Rachmaninows symphonischer Dichtung Die Toteninsel. Das im melancholischen Wellengang sich wild bis zur Verzweiflung steigernde Werk wurde raffiniert auch als in Schönklang gehüllte Schwermut zelebriert. Diese Stimmung dominiert ja auch die Tondichtung.

Das zentrale Qualitätselement blieb aber später bei der siebenten Symphonie von Antonín Dvořák dieser kollektive Auszug aus der Komfortzone. Unter Preisgabe der perfekten Balance hoben die Philharmoniker besonders im dritten Satz in Regionen packender Eindringlichkeit ab.

Das Gute an dieser Form des effektvoll kontrollierten Stürmens und Drängens wird bei der anstehenden Europatournee für Viotti wohl einen ähnlichen Erfolg zeitigen wie im Musikverein. Viotti zählt nun zu jenem Teil der neueren Dirigiergeneration, die mit den Philharmonikern enger zusammenarbeiten wird. Mit Klaus Mäkelä und Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla stoßen übrigens kommende Saison weitere philharmonische Neulinge hinzu. (Ljubiša Tošić, 17.6.224)