Blick auf die Zentrale des Stahlkonzerns Voestalpine in Linz
Keine Stellungnahme zu laufenden Untersuchungen und auch nicht zu eventuell zurückliegenden gibt es in der Zentrale der Voestalpine in Linz.
APA/HELMUT FOHRINGER

Knapp zwei Wochen ist es her, dass bei einer deutschen Tochter der Voestalpine ein Fall mutmaßlicher Bilanzfälschung aufgeflogen ist. Im aktuellen Geschäftsbericht des Linzer Stahlkonzerns, der anlässlich der Präsentation der Bilanzzahlen zum Geschäftsjahr 2023/24 am 5. Juni vorgelegt wurde, findet sich auf Seite 112 ein Hinweis darauf, was vorgefallen ist. Die Öffentlichkeit aktiv zu informieren oder gar eine Ad-hoc-Meldung abzusetzen hielt das Management in Linz nicht für notwendig. Auch bei der Bilanzpressekonferenz wurde vom versammelt gewesenen sechsköpfigen Vorstandsdirektorium kein Wort dazu verloren.

In der siebenzeiligen Passage, die sich im Anhang des Geschäftsberichts befindet, ist zu lesen, dass gegen Ende des vierten Quartals "bei einer Gesellschaft der Metal Forming Division bewusst ergebnisverbessernde Fehlbuchungen hinsichtlich der Bilanzierung und Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden" identifiziert worden sind. Bei dem verantwortlichen Manager handelt es sich laut STANDARD-Informationen um den Österreicher Harald T. (Name der Redaktion bekannt). Er soll im Zusammenspiel mit einem Buchhalter über Jahre die Bilanzen frisiert haben. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Im Sand verlaufen

Die mutmaßlichen Manipulationen betreffen einen Zeitraum von zehn Jahren und summieren sich auf 100 Millionen Euro. Das hatte zur Folge, dass Voestalpine ihr Eigenkapital um ebendiesen Betrag von 7,6 auf 7,5 Milliarden herabsetzen musste. Harald T. hat das Unternehmen im vorigen Herbst vor Auffliegen des Skandals verlassen und ist in eine andere Branche gewechselt. Er soll kein Geld abgezweigt, sich durch die bessere Außendarstellung mittels Bilanzschönung aber ein schnelleres Vorankommen auf der Karriereleiter versprochen haben.

Bei Voestalpine ist man nach eigenen Angaben erst im Februar im Zuge eines konzerninternen Controllings auf Unregelmäßigkeiten in der Metal Forming Division (Metallbearbeitung, Autozulieferung) gestoßen; Hinweise auf aufklärungsbedürftige Vorkommnisse im Geschäftsbereich Automotive Components, um den es geht, hat es nach STANDARD-Informationen aber schon früher gegeben, nicht nur einmal. Auch eine Compliance-Untersuchung soll initiiert worden sein. Diese dürfte aber im Sand verlaufen sein. Mitarbeiter der Metal Forming Division haben dem Vernehmen nach Vertraulichkeitserklärungen unterschreiben müssen.

Laufende Untersuchungen

Was sagt Voestalpine zu alldem? Wenig. "Wir können aus rechtlichen Gründen keine Stellungnahme abgeben", heißt es in Linz.

Laut früheren Angaben will Voestalpine das Ergebnis laufender Untersuchungen abwarten, die von einer Wirtschaftsprüfungskanzlei vorangetrieben werden und bis September 2024 abgeschlossen sein sollen. Dann werde entschieden, ob es zu zivilrechtlichen Klagen oder strafrechtlichen Anzeigen kommt.

Hauptversammlung am 3. Juli

Der für die Metal Forming Division zuletzt zuständige Vorstandsdirektor Peter Schwab hat sich nach Auslaufen seines Vertrags mit 31. März 2024 "aus persönlichen Gründen" für keine weitere Funktionsperiode zur Verfügung gestellt. Ihm ist von BASF kommend als erste Frau im Vorstand der Voestalpine zum 1. April Carola Richter nachgefolgt. Der Aufsichtsrat der Voestalpine unter Führung des langjährigen Voest-Chefs Wolfgang Eder will sich bei der Hauptversammlung am 3. Juli geschlossen zur Wiederwahl stellen. (Günther Strobl, 17.6.2024)