Im schottischen Pub Vale Public House in Harlem packen die beiden österreichischen Musiker Gottfried Stöger und Franz Hackl ihre Instrumente aus. Gottfried ist Saxofonist, Franz Trompeter. Als sie loslegen, nur von einem Keyboard begleitet, hört man sofort, dass hier höchst talentierte Jazzmusiker am Werk sind. Die beiden verbindet eine lange persönliche und berufliche Freundschaft. Schon in Wien am Anfang ihrer Karrieren spielten sie gemeinsam in einer Band. In den frühen 90er-Jahren verschlug es sie dann kurz hintereinander nach New York, wo sie an der Manhattan School of Music studierten. Weder der österreichische Schmäh, die langen, mittlerweile grauen Haare, das breite Grinsen noch der heimatliche Dialekt sind ihnen dabei abhandengekommen. In den letzten Jahren treten sie wieder vermehrt miteinander auf. "Es ist so, als ob keine Zeit vergangen wäre", sagt Franz. Und: "Man kann nicht besser Saxofon spielen als Gottfried Stöger. Nur anders." Dieser meint: "Franz und ich haben viele Parallelen, aber wir haben uns auch in verschiedene Richtungen entwickelt. Wir waren sehr viel auf Tournee miteinander, viermal in Indonesien zum Beispiel oder in Europa."

Trompeter Franz Hackl und Saxofonist Gottfried Stöger
Beim Musizieren in einem Pub in Harlem: Trompeter Franz Hackl und Saxofonist Gottfried Stöger.
Stella Schuhmacher

Konkurrenz auf höchstem Niveau

Franz Hackl lebt seit 34 Jahren in New York. Im Kopf sei er aber immer noch nicht ausgewandert, sagt er. "Ich habe mich immer bemüht, im Moment zu leben und so viel wie möglich von dieser großartigen Stadt aufzusaugen. Ich hatte bewusst keinen langfristigen Plan." Beim Komponieren verlässt er sich auf Kopf und Bauch gleichzeitig. "Ich habe eine klare Vorstellung von Melodie und Rhythmik, lasse mich dann aber gerne woanders hinführen." An New York schätzt der 1966 in Schwaz in Tirol Aufgewachsene die Energie. "Ich habe sofort sehr viel an mir gearbeitet. Die Stadt pulsiert." Alle wichtigen Musikformen werden in New York auf Weltklasseniveau gespielt. "Plötzlich sind viele genauso gut oder besser als du. Man pusht sich gegenseitig." Vor allem die Unterstützung unter Künstlern schätzt er: "Es ist Konkurrenz auf höchstem Niveau. In Österreich ist mehr Neid dabei." Man könne außerdem die unterschiedlichsten Gigs spielen, ohne seinem Ruf oder Marktwert zu schaden.

Musik wurde Franz sozusagen in die Wiege gelegt. "Mein Papa war ein großartiger Trompeter." Er ist ausgebildeter Blechblasinstrumentenbauer und studierte in Wien am Konservatorium. Im Anschluss hoffte er, bei Lew Soloff an der Manhattan School of Music zu studieren. "Ich habe vorgespielt und wurde dann als einer von zwei aufgenommen. Lew hat mich sofort als Substitut eingesetzt." Franz fördert daher selbst junge Musiker. Er spezialisierte sich auf Jazz und zeitgenössische Klassik, ist Produzent und Komponist von 70 Werken, die weltweit aufgeführt werden. In einem Monat wird sein neues Trompetenkonzert veröffentlicht. Regelmäßig tritt er mit Jazzgrößen wie dem Pianisten Leo Genovese, der 2023 einen Grammy für das beste Jazz-Solo gewonnen hat, auf. Im Durchschnitt spielt er drei Konzerte pro Woche. "Ich habe ein gutes Netzwerk von Musikkollegen", meint er. Jazz-Clubs wie Birdland, Nublu, Shapeshifter Lab oder Dizzy's Coca Cola Club Lincoln Center zählen zu seinen Lieblingsauftrittsorten. Jazzmusiker sollten adäquat bezahlt werden, und er hasst es daher, wenn auf der Bühne ein Kübel für Trinkgelder steht. Franz unterrichtet über die "Hacklmusic Online Brass Academy". 100 Unterrichtseinheiten pro Jahr sind dort gratis. "Ich liebe das Unterrichten und habe Schüler aller Altersgruppen", sagt er. Sein Bezug zu Österreich ist nach wie vor stark. 1993 gründete er das Outreach Music Festival in Schwaz in Tirol, das er bis heute leitet. Auch sozial engagiert er sich. Vor kurzem kam er von einer Südafrika-Reise zurück, wo er schwer behinderte Kinder als Volunteer im Rahmen von Education Africa unterrichtete. "Ich habe immer darauf hingearbeitet, dass meine Jazzgagen gut sind. Dadurch kann ich regelmäßig an Aktionen teilnehmen, bei denen ich der Gesellschaft etwas zurückgebe."

Seit Jahrzehnten lebt Franz in Harlem. "An Harlem taugt mir, dass Jazz Teil der Alltagskultur ist. Ohne Jazz wäre die amerikanische Bürgerrechtsbewegung nicht so stark geworden. Die Harlem Renaissance war sehr wichtig." Als der afroamerikanische Posaunist Craig Harris ihn fragte, ob er in seiner Band spielen wolle, fühlte sich Franz besonders geehrt. "Es war für mich die größte Auszeichnung, von einer afroamerikanischen Band gefragt zu werden, mitzuspielen." Franz findet, dass gerade jetzt ein guter Zeitpunkt für junge Musiker sei. Noch nie habe es so viele Möglichkeiten gegeben, sich selbst zu vermarkten. "Genießt, dass ihr in der Jetztzeit lebt. Auf Youtube findet man alles. Noch nie hat man so günstig und professionell Aufnahmen machen können." Eigeninitiative und Netzwerken sei sehr wichtig. Auch sollte man nicht von anderen definieren lassen, was Erfolg ist. "Erfolg definiere ich nicht mit Geld. Für mich ist es das Gefühl, etwas beitragen zu können." Und wenn das Publikum mit mehr heimgeht, als es gekommen ist.

Franz Hackl spielt Trompete und hat ein Baseballcap mit einer Anspielung auf Donald Trump auf.
Duck you Fonald: Franz Hackl ist politisch interessiert und hofft auf ein "gutes" Wahlergebnis im Herbst.
Ozier Muhammad

"Hier spielt man bis zum Umfallen"

Der gebürtige Salzburger Gottfried Stöger, Jahrgang 1964, gründete bereits während seiner Schulzeit einen Jazz-Club und trat dort gemeinsam mit seinen Klassenkameraden auf. Danach studierte er Geige am Mozarteum in Salzburg und Saxofon in Wien. Sein Vater, ein ehemaliger Eisenbahner, kaufte ihm sein erstes Instrument. "Bei einem Probespiel für die Vereinigten Bühnen Wien habe ich dann gewonnen. Ich war 22. Dann ist es losgegangen mit Chorus Line. Ich musste innerhalb von zwei Wochen Klarinette lernen", erzählt er. "Das war ein bisschen ein Stress." Er schmunzelt. Joe Zawinul erkannte sein Ausnahmetalent und ermutigte ihn dazu, nach New York zu gehen. "Bua", sagte er, "was machst du denn in Wien? Mit deinem Talent musst du nach New York!" Mit einem Stipendium des Kulturministeriums wagte Gottfried den Sprung. Nach der Manhattan School of Music ging es weiter an die University of Miami als Assistenzlehrer und fürs Masters-Studium. "Das Programm in Miami ist fantastisch. Dort habe ich das Komponieren gelernt." Auch die University of North Texas, die University of Southern California und Eastman School of Music haben seiner Meinung nach ausgezeichnete Musikprogramme. "In Miami gibt es aber keine Szene, daher bin ich nach New York zurückgekommen." Das war eine harte Zeit, erinnert er sich. Es dauerte sechs Jahre, bis er den ersten gut bezahlten Gig hatte. Flexibilität sei in New York das Allerwichtigste. "Ich habe mit vielen der Größten des Jazz gespielt und mich stilistisch ausgebreitet." Highlights seiner Karriere umfassen Auftritte mit Francois Moutin, Dave Taylor, Marc Copeland, Cameron Brown oder Keith Kramer. Musiker werden enorm ausgenommen, sowohl in den USA als auch in Europa, meint er.

Gottfried Stöger und Franz Hackl im schottischen Pub Vale Public House in Harlem

Gottfried lebt in Inwood an der Nordspitze Manhattans, was ideal sei, da er mit dem Auto sofort in New Jersey oder Connecticut sei. "Ich spiele überall Gigs. Klassische Engagements zahlen zehnmal mehr als Jazz." Er arbeitet auch viel im Studio und spielt und schreibt seine eigene Musik. New York habe sich so wie der Rest der Welt verändert. "Das Internetzeitalter hat das Musikbusiness zerstört. Für jeden Livestream kriegt man den Bruchteil eines Cents." Wer jetzt keine Lust hat, zu unterrichten, hätte es schwierig. Er selbst unterrichtet allerdings nicht mehr. "Es hat mich ausgebrannt. Selbst an den Universitäten, sogar Julliard und Manhattan School of Music, gibt es keine Fixanstellungen mehr. Und irgendwo im Mittleren Westen zu landen, wo ich sonst nichts machen kann, interessiert mich nicht." Er unterrichtet nur mehr einige motivierte Schüler, sagt er.

Gottfried Stöger spielt Saxophon in einem Club
Gottfried Stöger in concert: Er wird bis zum Umfallen musizieren.
Gottfried Stöger

Gottfried fühlt sich in New York sehr wohl. "Mir gefällt die Mentalität hier sehr gut. Es stellt keiner dumme Fragen. Neid gibt es nicht." Er habe sehr unter der österreichischen Mentalität gelitten. "Die Kleinkariertheit, die depressive Mentalität und das ewige Jammern." In New York wünschen alle einander nur das Beste. "Es ist hier sehr multikulturell. Jeder talentierte Musiker will nach New York. Man trifft immer wieder neue Musiker, mit denen man spielt. In Wien spielt man immer mit den gleichen." Am meisten Spaß macht ihm ein Gig in einem kleinen Club mit seinem DreamHunter Ensemble, bei dem er seine eigene Musik spielt. "Es gibt immer Projekte. Ich habe immer viel zu tun," zeigt er sich zufrieden. Zurzeit freut er sich beispielsweise auf eine bevorstehende Tournee in Portugal und Spanien. An einem typischen Tag steht Gottfried auf und spielt gleich einmal zwei Bach-Flötensonaten. "Um das Haus aufzuwärmen, sozusagen. Weiter geht es mit Klarinette. Ich spiel sechs Stunden und setze mich dann ans Klavier und komponiere." Am Abend folgt ein Gig. Gottfried lacht: "Ich bin 60. In Österreich geht man in meinem Alter in Pension. Hier spielt man bis zum Umfallen. Aber was soll ich auch sonst machen?" (Stella Schuhmacher, 25.6.2024)