Gruppe junger Menschen sitzt am Abend im Garten und stoßt an.
Endlich kann man die Sommerabende draußen genießen. Doch das tun auch die Gelsen. Unsere Grillerei ist auch für sie ein Festessen – auch wenn sie nicht das Gleiche essen wie wir.
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Ssssssssssss hört man es im Ohr – und im nächsten Moment spürt man schon den Stich. Man klatscht drauf, aber ob man die Gelse wirklich erwischt hat, bleibt oft unklar. Ohnehin egal, die nächste ist schon im Anflug. Irgendwann hat man nach einem Abend im Freien mehrere rote, heftig juckende Dippel und verflucht die kleinen Biester.

Dass gerade jetzt, wo man endlich richtig feine Sommerabende genießen kann, so viele Insekten herumschwirren, liegt an den sogenannten Überschwemmungsgelsen. Die schlüpfen etwa zwei Wochen nach einem Hochwasser, erklärt Hans-Peter Fuehrer vom Institut für Parasitologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien: "Die Weibchen legen ihre Eier nicht direkt ins Wasser, sondern an den Rand der Wasseroberfläche. Dort können sie drei bis vier Jahre im Trockenen überleben. Werden sie dann nass, wie das bei Hochwasser eben der Fall ist, schlüpfen die Larven und werden rund zwei Wochen später zu ausgewachsenen Stechmücken."

Normales Gelsenjahr

Die Überschwemmungsgelse ist dabei nur eine von 52 Arten, die in Österreich herumschwirren. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie eher tagsüber sticht, und ist dafür verantwortlich, dass wir aktuell das Gefühl haben, es gibt so viele von den Tieren. Die häufigste Art hierzulande ist aber die Hausgelse. Die sticht vorwiegend abends und nachts, und das sind auch jene Surrer, die es sich in unseren Schlafzimmern bequem machen.

Insgesamt handelt es sich bis jetzt um ein normales Gelsenjahr, zumindest in Ostösterreich, im Gegensatz zu den beiden vergangenen, die waren sehr schwach, sagt Fuehrer. Das lag an den vielen Temperaturschwankungen. "Wir hatten zuletzt auch im Februar schon einmal 25 Grad, dann werden die Weibchen aktiv. Kühlt es dann wieder ab, sterben sie, das führt dazu, dass es insgesamt weniger Gelsen gibt." Leider nicht in diesem Jahr ... Generell kann man zur Entwicklung der Gelsenpopulation aber keine langfristigen Vorhersagen treffen, das ist immer vom Wetter und weiteren Faktoren wie dem Mikroklima abhängig. Nur so viel ist klar: Sie werden jetzt wohl mehr werden, die Spitze der Gelsensaison ist jedes Jahr im Juli und im August.

Neue Einwanderer

Und es gibt, neben den beschriebenen, auch neue Arten in Österreich, vor allem die Tigermücke hat zuletzt für Aufregung gesorgt. Im Sommer 2020 wurde diese das erste Mal in Wien gesichtet, mittlerweile gibt es auch in Graz eine Population. Man erkennt sie, wie der Name schon sagt, am gestreiften Körper, ähnlich einer Tigerzeichnung. Der Grund, warum diese Art mit Argusaugen beobachtet wird, ist, dass sie Krankheiten übertragen kann. "Tigermücken können Dengue-Fieber, Chikungunya oder Zika übertragen", weiß Fuehrer.

Diese Erreger tragen sie nicht automatisch in sich, sie müssen sich selbst erst anstecken, indem sie eine infizierte Person stechen. Da es die Krankheiten in Österreich nicht gibt, müsste das ein Reiserückkehrer sein, der eine hohe Viruslast in sich trägt. "Dann könnte es tatsächlich zu einer autochthonen, also heimischen Übertragung kommen." Diese Wahrscheinlichkeit ist in Österreich aber sehr gering, beruhigt der Experte. Allerdings gab es solche Fälle schon in Frankreich, Spanien und auch Kroatien. Und je mehr Tigermücken es gibt, desto wahrscheinlicher wird es.

Tatsächlich können auch die Hausgelsen potenziell gefährlich werden, denn sie sind möglicherweise Träger des West-Nil-Virus. Das kann sich in grippeähnlichen Symptomen mit hohem Fieber, Muskelschmerzen oder auch Hautflecken zeigen. "Das Virus kommt mit Zugvögeln nach Österreich, in Wien hat es auch schon einzelne Infektionen gegeben, die Stadt macht deshalb ein Virusmonitoring", berichtet Fuehrer. Das passiert aber sehr selten, zuletzt wurden keine West-Nil-Fieberfälle vermeldet.

Körpergeruch als Lockstoff

Nun gibt es manche Menschen, die das Glück haben, dass sie Gelsen eher nicht anziehen, andere scheinen ein regelrechtes Festessen für die Insekten zu sein. Das dürfte am Geruch liegen. Kommen in den Körperausdünstungen mehr Carbonsäuren, Buttersäure, Isobuttersäure und Isovaleriansäure vor, scheint man besonders schmackhaft zu sein. Umgekehrt sind jene Menschen am wenigsten beliebt, deren Körpergeruch möglichst frei ist von Carbonsäuren und anderen Verbindungen, der dafür mit dem Monoterpenoid Eukalyptol angereichert ist. Das hat eine Studie ergeben, die vor kurzem im Fachmagazin Current Biology publiziert wurde.

Das Blöde: Man kann in Wirklichkeit nichts tun dafür, dass sich der Körpergeruch in die gewünschte Richtung entwickelt. Ein Ansatz wäre, auf das Feierabendbier zu verzichten. Studien zeigen, dass biertrinkende Menschen vermehrt gestochen werden. Langfristig würde das aber nichts bringen, denn eines der wichtigsten Lockmittel ist Kohlendioxid – und das atmen wir permanent aus.

Man muss also wohl, sofern man die Sommerabende draußen genießen will, mit den Stichen leben und diese behandeln. Die können sich als kleine, juckende Punkte bis hin zu großen Quaddeln manifestieren. Wie sich die Stiche entwickeln, das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. "Zum Teil hat es auch damit zu tun, wo sich die Larven entwickelt haben", weiß Parasitologe Fuehrer. Dass die Stiche stärkere Reaktionen auslösen als früher, wie man es immer wieder hört, das lasse sich aber wissenschaftlich nicht zeigen.

Kühlen, nicht kratzen

Das bestätigt auch Georg Stary, Dermatologe an der Uni-Klinik für Dermatologie der Med-Uni Wien: "Es gibt keine Evidenz dafür, dass die Symptome bei Stichen stärker werden, ich denke, das ist eher eine subjektive Wahrnehmung." Eine allergische Reaktion gebe es wirklich nur in ganz seltenen Fällen. Hat man einen Stich, egal wie er sich entwickelt, ist die oberste Regel: kühlen, nicht kratzen! Man kann Antijuckgels auftragen und, wenn es besonders intensiv juckt, ein Antihistaminikum einnehmen oder lokal ein Kortisongel schmieren. "Die Reaktion wird nämlich von Histamin und anderen Botenstoffen im Speichel des Insekts hervorgerufen", weiß der Dermatologe.

Kühle Umschläge oder natürliche Mittel wie das Gel der Aloe-Vera-Pflanze helfen auch, Schwellung und Juckreiz zu lindern. Und zuletzt wurden auch spezielle Stifte beworben, die den Stich mit Hitze behandeln. Das soll die Proteine aus dem Speichel der Insekten zerstören und so Linderung verschaffen. Das kann aber ziemlich wehtun. Hat man eine Affinität zu so einem Schmerz, kann man das ruhig ausprobieren. Insgesamt dürfte aber eher die Ablenkung dafür sorgen, dass man den Stich nicht mehr so stark spürt. Wissenschaftliche Evidenz für die Methode gibt es eher keine.

Ansonsten ist zur Abhilfe Kratzen sehr verlockend, aber dadurch kann sich der Stich zusätzlich entzünden, und es kann sogar zu einer Infektion kommen. "Wir sehen immer wieder Rotlaufinfektionen, die in Folge von Insektenstichen entstehen", berichtet Stary. Dabei handelt es sich um eine bakterielle Infektion, die vor allem durch A-Streptokokken entsteht. Diese sind an sich normaler Bestandteil des menschlichen Hautmikrobioms und auf der Oberfläche harmlos. Gelangen sie aber über eine kleine Wunde unter die Haut, können sie eine Entzündung auslösen, die unbehandelt sogar systemisch werden kann.

Will man die Gelsen erst gar nicht an den eigenen, schmackhaften Körper heranlassen, muss man sich wohl oder übel mit Insektenspray einsprühen. Die meisten sind sogenannte Repellents und basieren auf chemischen Wirkstoffen, die genau jene Körpergerüche übertünchen, die die Insekten anlocken. Schwangere und stillende Frauen sollten darauf aber eher verzichten. Schließlich gibt es noch Gelsenstecker, die ein Insektengift verdampfen. "Sitzt man im Freien, kann man die auf jeden Fall unter dem Tisch oder an der Wand anbringen, da spricht nichts dagegen", sagt Stary. In Innenräumen und vor allem im Schlafzimmer empfiehlt er aber, darauf zu verzichten. Da muss man sich wohl oder übel auf die Jagd nach den Saugern machen, bevor man schlafen geht. (Pia Kruckenhauser, 20.6.2024)

Video: Wie man sich am besten vor Gelsen schützt.
DER STANDARD