Mit einem Appell an die Politik, in Asylfragen humane und nachhaltige Lösungen zu suchen, haben sich Vertreterinnen und Vertreter wichtiger Flüchtlings-NGOs anlässlich des Weltflüchtlingstags am Donnerstag an die Öffentlichkeit gewandt. Der derzeitige Parteiendiskurs in Flüchtlingsfragen sei von einem heftigen Nationalratsvorwahlkampf geprägt und vielfach "irrlichternd", es fehlten konstruktive Ansätze, sagte etwa Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.

Shoura Hashemi
Amnesty-Österreich-Chefin Shoura Hashemi forderte die Regierung auf, die dem Ministerrat bereits vorliegende Erhöhung der Tagsätze für jugendliche Asylsuchende zeitnah zu beschließen.
Foto: APA/GeorgHochmuth

"Es vergeht fast kein Tag, an dem nicht Angst vor geflüchteten Menschen geschürt und Abschreckungsmaßnahmen diskutiert werden", kritisierte Hashemi. Von der Bezahlkarte für Asylwerber in Grundversorgung bis hin zum Stopp des Familiennachzugs sei Populismus am Wort.

Lösungen für zum Teil seit langem bestehende Probleme hingegen kämen nicht aufs Tapet. "Besonders dringend" etwa wäre eine Verbesserung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die nach ihrer Ankunft in Österreich mangels Vereinbarung mit den jeweiligen Kinder- und Jugendschutzbehörden immer noch monatelang ohne Obsorge in den Aufnahmezentren des Bundes leben.

Minderjährige als "Bedrohung"

Den betroffenen Jugendlichen, meist jungen Burschen, mangle es an Gesundheitsversorgung und Bildungsmöglichkeiten. Tausende seien nach Stellen ihres Asylantrags in den vergangenen Jahren abgetaucht. In öffentlichen Diskussionen würden sie vielfach "nicht als Minderjährige, sondern schlimmstenfalls sogar als Bedrohung wahrgenommen".

Zudem, sagt Hashemi, seien die Tagsätze für die Betreuung Minderjähriger in der Landesgrundversorgung noch immer nicht erhöht worden. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liege dem Ministerrat jedoch bereits vor. Er müsse nur noch beschlossen werden, appellierte die Amnesty-Chefin.

Beschäftigungsbewilligung streichen

Einfachere Zugänge zum Arbeitsmarkt für Asylwerbende sowie für ukrainische Kriegsflüchtlinge forderten Gerd Trimmel vom Verein Ute Bock sowie Nina Andresen vom Unterstützungsverein für Ukrainerinnen und Ukrainer, Train of Hope. Trimmel forderte das "ersatzlose Streichen" der Beschäftigungsbewilligungen für jobsuchende Asylwerber und Kriegsflüchtlinge, deren bürokratische Abwicklung Unternehmen mit Personalbedarf vielfach abschrecken würde.

Andresen hob hervor, dass es eine langfristige Bleibeperspektive für die Ukraine-Vertriebenen brauche, deren Aufenthaltsrecht auf Basis der EU-Vertriebenenrichtlinie seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine bis dato von Jahr zu Jahr verlängert wurde. Das sei unzureichend, denn es biete keine existenzielle Sicherheit, sagte Andresen.

Familiennachzug wiederaufnehmen

Eine Wiederaufnahme der Einreisen von Angehörigen anerkannter Flüchtlinge im Rahmen des Familiennachzugs forderte Lukas Gahleitner von der Asylkoordination. Dass auf Betreiben der ÖVP derzeit sämtliche Verfahren gestoppt wurden, sei für die betroffenen Flüchtlinge eine "Zumutung", sagte er. "Gibt es wirklich Hinweise auf Missbrauch? Hier braucht es dringend Aufklärung." Es stelle sich die Frage, ob die Politik hier nicht rechtsmissbräuchlich handle.

Zuletzt kam Petar Rosandic von der NGO SOS Balkanroute zu Wort. Die asylpolitischen Externalisierungsbestrebungen in der EU hätten einen hohen humanitären Preis, sagte er. Pushbacks an den Außengrenzen der Union würden zunehmend hingenommen oder gar legalisiert.

Doch es gebe auch positive Nachrichten, sagte Rosandic – und erteilte einem mitgebrachten Gast das Wort. Der afghanische Fifa-Schiedsrichter Ibrahim Rasool hat in diesen Tagen in Österreich Asyl erhalten, nach Jahren des Aufenthalts in bosnischen Lagern und, wie er schilderte, 51 Versuchen, die Grenze zu Kroatien zu überwinden, bevor ihm das endlich gelang, ohne wie davor zurückgetrieben zu werden. (bri, 20.6.2024)