Eine Passagierin will über Nacht im Nightjet zwölf Stunden lang von Berlin nach Zürich reisen – doch im Zug angekommen, zeigt sich, dass es gar kein Schlafwagen ist, sondern ein reguläres Sitzabteil. Bei einem anderen Fahrgast wird der Nightjet mitten auf der Strecke gestoppt – er muss in Frankfurt aus- und umsteigen.

Das Schweizer Fernsehen berichtet dieser Tage von zahlreichen Beschwerden schweizerischer Bahnfahrgäste – in Bezug auf Nightjets, die von den ÖBB betrieben werden und von und nach Zürich gehen. "Weil wir kein eigenes Rollmaterial besitzen, haben wir nicht die Möglichkeit, eigene Fahrzeuge reinzustellen, um fehlende Wagen zu ersetzen", heißt es gegenüber dem Schweizer Fernsehen seitens der Schweizer Bahn – man verweist also auch auf den Partner in Wien.

Nightjet
Klimafreundliches Nachtzugfahren liegt anstelle des Fliegens im Trend – aber es läuft nicht immer reibungslos.
AP/Marek Knopp

"Der gebuchte Schlafwagen fällt – 'wegen geändertem Fahrzeugeinsatz (sic)' – aus und wird im besten Fall durch einen Liegewagen ersetzt. Letzteres wird im Fachjargon 'Downgrade' genannt", heißt es im Schweizer Fahrgast-Blog night-ride.ch – dort hat man die besonders problematischen Strecken ausgewertet. Spitzenreiter: die Verbindung von Zürich über Basel nach Amsterdam und zurück. Ob hin oder retour, sie sei "mit Abstand am meisten betroffen", schreibt night.ride.ch; auf dieser Strecke gebe es bei "rund zwei Drittel aller Fahrten" Probleme. Abgeschlagen dahinter folgen Nightjet-Verbindungen von Zürich nach Wien, Graz und Hamburg. Bei diesen Strecken sei es auffallend, dass es vor allem zu Downgrades komme statt zu kompletten Ausfällen.

Bregenz, Zürich und Ancona

Die sind freilich auch ärgerlich – und scheinen immer wieder vorzukommen, wie eine im STANDARD publizierte Auswertung im August 2023 zeigte. "In den Zügen nach Bregenz kam es bei annähernd jedem dritten eingesetzten Wagen, nach Ancona bei etwa jedem zehnten Wagen zu Downgrades oder sogar Wagenausfällen." Zwar komme es insgesamt nur bei einem vergleichsweise kleinen Teil des Angebots zu Ausfällen oder Downgrades, doch unter denen sei die Destination Zürich "von Downgrades oder Ausfälle von Liegewagen" besonders betroffen. Heißt, die Schweizer dürften mit ihrer Problemwahrnehmung nicht falsch liegen.

Was sagen die ÖBB zu all dem? Sprecher Bernhard Rieder räumt ein, dass es bei Nachtzügen immer wieder zu Problemen komme. Das liege etwa an mitunter altem Wagenmaterial, weil Nachtzüge erst jüngst wieder in Mode gekommen seien. Auch führen die Routen durch mehrere Länder – und Nachtzugverbindungen würden stärker unter Verzögerungen wegen Baustellen leiden, weil Arbeiten entlang der Bahn häufiger nachts als untertags durchgeführt werden.

Der Sprecher fügt aber eine Einschränkung hinzu: Bei der Strecke von Zürich nach Amsterdam würden – laut Rieder als einzige Nightjet-Verbindung in der Schweiz – die Wagen nicht von der ÖBB gestellt, sondern von den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) in Zusammenarbeit mit einem deutschen Partner. Es ist aber eben diese Strecke, die in den Statistiken als besonders störanfällig herausragt. Am Ärger der Fahrgäste ändert das freilich wenig. (Joseph Gepp, 20.06.2024)