zwei kuschelnde Makaken
Rhesusaffen(Macaca mulatta) in Puerto Rico wurden infolge eines verheerenden Wirbelsturms kooperativer und freundlicher.
Lauren Brent

Der Hurrikan Maria im Herbst 2017 war für die Karibik verheerend: Mehr als 3000 Menschen starben durch die Verwüstungen. Zu den weniger bekannten Opfern gehören einige Makaken, die in Puerto Rico auf der Insel Cayo Santiago ("Monkey Island") leben. Katastrophen können dafür sorgen, dass sich die Spielregeln in einer Gesellschaft verändern – und das traf auch auf diese Affen zu, wie eine neue Studie im Fachjournal Science zeigt.

Die Karibikinsel Cayo Santiago in den Jahren 2008 und 2020 – vor und nach Hurrikan Maria 2017.
Das Slider-Tool zeigt im Vergleich eine reich mit Bäumen begrünte und eine dezimierte Insel aus Vogelperspektive.
Joyce Cohen, Michelle Skrabut La Pierre / WOM Productions

Der extreme Wirbelsturm zerstörte fast zwei Drittel der Pflanzenwelt auf der Affeninsel, Bäume wurden schlicht umgeweht. Bis heute hat sich die Vegetation nicht erholt. Die Rhesusaffen können ihre Zeit auf der sonnigen Insel, wo es locker 40 Grad Celsius heiß wird, daher nicht mehr in einem Wald verbringen, sondern drängen sich in den langen, schmalen Schatten zusammen, die einzelne Baumstämme werfen.

Auf der Insel fällt von rechts nach links der lange, schmale Schatten eines abgestorbenen Baumes, in dem sich in einer Reihe acht Makaken versammelt haben.
Die Affen müssen im Schatten näher zusammenrücken.
Lauren Brent

Dadurch sind die Affen darauf angewiesen, auf noch engerem Raum gut miteinander zurechtzukommen. Das ist nicht gerade einfach, denn Makaken zählen zu den streitlustigsten Primaten überhaupt.

Doch der Inselpopulation, die seit etwa 90 Jahren von Forscherinnen und Forschern beobachtet wird, ist dies gelungen – indem aggressivere Individuen "ausgesiebt" wurden. Wie das internationale Forschungsteam um Camille Testard von der University of Pennsylvania im US-amerikanischen Philadelphia berichtet, war es vor dem Hurrikan gesellschaftlich kein Problem, wenn Affen aggressiv auf ihren Schattenplätzen beharrten. Nach der Katastrophe hatten jedoch tolerantere Rhesusaffen, die sich schattige Stellen teilten, einen Überlebensvorteil. Die Zahl garstigerer Artgenossen nahm ab.

Ein Schwarzer Forscher in beigefarbener Hose, blauem Hemd und Baseballkappe betrachtet in karger Landschaft vor dem Meer eine große Gruppe an Makaken und hält in einer Hand ein Tablet, Klemmbrett oder ähnliches.
Seit 1938 wird die Makakenpopulation auf der Affeninsel, wo es ansonsten keine menschliche Siedlung gibt, erforscht.
Lauren Brent

Konkurrenzbetonte Gesellschaft

Das Team untersuchte insgesamt Daten aus zehn Jahren zum Sozialverhalten der Inselaffen. "Vor dem Wirbelsturm hatte das Tolerieren anderer keinen Einfluss auf das Sterberisiko", wird Testard in einer Aussendung der ebenfalls beteiligten University of Exeter in England zitiert. Nach dem Wirbelsturm hatten Makaken mit überdurchschnittlicher sozialer Toleranz ein um 42 Prozent geringeres Sterberisiko als die weniger toleranten Tiere.

In einer Landschaft mit abgestorbenen Baumteilen stehen sich zwei Makaken gegenüber. Von jenem näher an der Kamera sind vor allem das rote Hinterteil und die männlichen Genitalien zu sehen, der andere Rhesusaffe steht ebenfalls auf allen Vieren und scheint ihn mit erhobenem Schwanz anzubrüllen.
So sieht es aus, wenn Makaken gegeneinander kämpfen.
Lauren Brent

Rhesusaffen zählen zur Gruppe der Makaken und leben eigentlich in Asien, verwilderte Gruppen zudem in Florida und Puerto Rico. Ihren Status sichern sich vor allem die Männchen üblicherweise durch Schläge, Bisse und Reißen an Fell und Schwanz. "Sie sind bekannt dafür, dass sie in einer aggressiven, stark konkurrenzbetonten Gesellschaft leben", sagte Mitautorin Lauren Brent von der Universität Exeter.

Raum teilen oder sterben

Deshalb seien die Affen eigentlich nicht besonders gut darin, Ressourcen zu teilen, sei es Nahrung oder Schatten. "Aber in der durch die ökologischen Veränderungen verursachten Hitze, die oft um die 40 Grad beträgt, mussten die Makaken den Raum teilen oder sterben."

Die hinzugewonnene Toleranz betrifft den Forschenden zufolge auch andere Lebensbereiche. Die Äffchen, die sich bereitwillig Schattenplätze teilten, verbrächten auch morgens, also vor der Hitze des Tages, Zeit miteinander, erklärt Testard.

Makake sitzt im Vordergrund auf einem Felsen, im Hintergrund ist ein Regenbogen zu sehen.
Die Gemeinschaft der streitlustigen Makaken ist toleranter geworden.
Lauren Brent

Die Population von Cayo Santiago muss aber nicht zwingend so friedfertig bleiben, wenn die Bedeckung mit Baumkronen wieder den ursprünglichen Zustand erreicht, heißt es in der Studie. Andere Faktoren wie mehr Krankheitsübertragungen zwischen den geselligeren Artgenossen der Gruppe könnten die Evolution dann auch wieder in die andere Richtung, also hin zu wenig sozialer Toleranz, "lenken". Fraglich ist zudem der Selektionsdruck in einer Welt, in der es prinzipiell immer wärmer wird und Extremereignisse wie Hurrikans in Amerika häufiger vorkommen. (sic, APA, 21.6.2024)