Der Hurrikan Maria im Herbst 2017 war für die Karibik verheerend: Mehr als 3000 Menschen starben durch die Verwüstungen. Zu den weniger bekannten Opfern gehören einige Makaken, die in Puerto Rico auf der Insel Cayo Santiago ("Monkey Island") leben. Katastrophen können dafür sorgen, dass sich die Spielregeln in einer Gesellschaft verändern – und das traf auch auf diese Affen zu, wie eine neue Studie im Fachjournal Science zeigt.
Der extreme Wirbelsturm zerstörte fast zwei Drittel der Pflanzenwelt auf der Affeninsel, Bäume wurden schlicht umgeweht. Bis heute hat sich die Vegetation nicht erholt. Die Rhesusaffen können ihre Zeit auf der sonnigen Insel, wo es locker 40 Grad Celsius heiß wird, daher nicht mehr in einem Wald verbringen, sondern drängen sich in den langen, schmalen Schatten zusammen, die einzelne Baumstämme werfen.
Dadurch sind die Affen darauf angewiesen, auf noch engerem Raum gut miteinander zurechtzukommen. Das ist nicht gerade einfach, denn Makaken zählen zu den streitlustigsten Primaten überhaupt.
Doch der Inselpopulation, die seit etwa 90 Jahren von Forscherinnen und Forschern beobachtet wird, ist dies gelungen – indem aggressivere Individuen "ausgesiebt" wurden. Wie das internationale Forschungsteam um Camille Testard von der University of Pennsylvania im US-amerikanischen Philadelphia berichtet, war es vor dem Hurrikan gesellschaftlich kein Problem, wenn Affen aggressiv auf ihren Schattenplätzen beharrten. Nach der Katastrophe hatten jedoch tolerantere Rhesusaffen, die sich schattige Stellen teilten, einen Überlebensvorteil. Die Zahl garstigerer Artgenossen nahm ab.
Konkurrenzbetonte Gesellschaft
Das Team untersuchte insgesamt Daten aus zehn Jahren zum Sozialverhalten der Inselaffen. "Vor dem Wirbelsturm hatte das Tolerieren anderer keinen Einfluss auf das Sterberisiko", wird Testard in einer Aussendung der ebenfalls beteiligten University of Exeter in England zitiert. Nach dem Wirbelsturm hatten Makaken mit überdurchschnittlicher sozialer Toleranz ein um 42 Prozent geringeres Sterberisiko als die weniger toleranten Tiere.
Rhesusaffen zählen zur Gruppe der Makaken und leben eigentlich in Asien, verwilderte Gruppen zudem in Florida und Puerto Rico. Ihren Status sichern sich vor allem die Männchen üblicherweise durch Schläge, Bisse und Reißen an Fell und Schwanz. "Sie sind bekannt dafür, dass sie in einer aggressiven, stark konkurrenzbetonten Gesellschaft leben", sagte Mitautorin Lauren Brent von der Universität Exeter.
Raum teilen oder sterben
Deshalb seien die Affen eigentlich nicht besonders gut darin, Ressourcen zu teilen, sei es Nahrung oder Schatten. "Aber in der durch die ökologischen Veränderungen verursachten Hitze, die oft um die 40 Grad beträgt, mussten die Makaken den Raum teilen oder sterben."
Die hinzugewonnene Toleranz betrifft den Forschenden zufolge auch andere Lebensbereiche. Die Äffchen, die sich bereitwillig Schattenplätze teilten, verbrächten auch morgens, also vor der Hitze des Tages, Zeit miteinander, erklärt Testard.
Die Population von Cayo Santiago muss aber nicht zwingend so friedfertig bleiben, wenn die Bedeckung mit Baumkronen wieder den ursprünglichen Zustand erreicht, heißt es in der Studie. Andere Faktoren wie mehr Krankheitsübertragungen zwischen den geselligeren Artgenossen der Gruppe könnten die Evolution dann auch wieder in die andere Richtung, also hin zu wenig sozialer Toleranz, "lenken". Fraglich ist zudem der Selektionsdruck in einer Welt, in der es prinzipiell immer wärmer wird und Extremereignisse wie Hurrikans in Amerika häufiger vorkommen. (sic, APA, 21.6.2024)