Frauenfussball in Nordkorea, im BildSchiedsrichterin Ri Hyang Ok.
Ri Hyang Ok war 2015 die erste nordkoreanische Schiedsrichterin bei einem WM-Spiel.
Ri-Filme

Als Brigitte Weich zwischen 2003 und 2007 ihre erste Dokumentation über vier Spielerinnen des nordkoreanischen Frauenfußballnationalteams drehte, musste sie feststellen: Das ist gar nicht so einfach – Restriktionen und Regulierungen stehen einem im Weg.

In Nordkorea, dort ist das mit der Filmkunst nämlich so eine Sache. Kim Jong-il, der bis zu seinem Tod im Jahr 2011 als autoritärer Führer des Staates in Ostasien agierte, war der Meinung, dass "aus einem Schaffenskollektiv, in dem weder ideologische Geschlossenheit noch Ordnung und Disziplin im täglichen Leben herrschen, keine Werke mit künstlerischem Wert hervorgehen können". Trotzdem kam Hana, dul, sed (Deutsch: eins, zwei, drei) 2009 ins Kino.

Die erfolgreiche Fußballnation

Die Dokumentation erzählte von vier jungen Frauen aus Pjöngjang, die einer besonders erfolgreichen Generation des nordkoreanischen Frauenfußballs angehörten. Zweimal gewannen sie die Asienmeisterschaft und qualifizierten sich auch für die Weltmeisterschaft. Als das Team bei der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2004 in Athen gegen Japan ausschied, wurde es aufgelöst – die Frauen mussten sich ein Leben außerhalb des Sports aufbauen, sind Schiedsrichterinnen geworden oder haben Familie.

Für Ned, tassot, yossot (Deutsch: vier, fünf, sechs) kehrte Brigitte Weich, die von ihrem 2014 verstorbenen Schwager Michael Glawogger zum Projekt angeregt wurde, wieder zurück zu den vier Frauen. Die ehemalige Torfrau Ri Jong Hi, Stürmerin Jin Pyol Hi, die Verteidigerin Ra Mi Ae und die Mittelfeldspielerin Ri Hyang Ok sitzen in einem mit Holz verkleideten Raum, vor ihnen jeweils ein Glas Wasser, hinter ihnen an der Wand Porträts von Kim Jong-il und Kim Il-sung. Dann erzählen im freundschaftlichen Verhältnis zur Filmemacherin, wie es ihnen in den letzten Jahren ergangen ist. "Wie wird der Film diesmal heißen?", fragt eine von ihnen.

Ergänzt wird das von Archivaufnahmen, aber es gibt noch eine neue Ebene: Cha Suk, "die einzige Regisseurin in unserem Land", wie sie der "Chef der TV-Serien" vorstellt, hat auf dem Höhepunkt der nordkoreanischen Fußballbegeisterung nämlich die Fernsehserie Unser Fraußenfußballteam gedreht. Cha Suk sagt, sie habe am Anfang "von Frauenfußball nicht viel gehalten". Aber als sie für die Serie zu recherchieren begann, merkte sie, wie "hübsch und durchtrainiert und sensibel" diese Frauen sind. Immer wieder werden Szenen der knalligen Soap-Opera eingeblendet, die im Nationalfernsehen aufopferungsvollen Patriotismus propagierte.

Die Erfindung der Wahrheit

Ned, tassot, yossot ist ein besonderer Film. Er zeigt einen weiblichen Blick auf vier Frauen, die innerhalb der Möglichkeiten eines totalitären Regimes mit allerlei Privilegien ausgestattet wurden, aber auch wieder fallengelassen wurden. Die Frauen erzählen ihre Geschichte mit einer gewissen Leichtigkeit, während durchgehend die Präsenz des Autoritären über dem Geschehen hängt. Der Einblick, den man in die dahinterliegenden Strukturen bekommt, liegt oft in dem, was nicht gesagt wird.

In Dokumentarfilmen wird Wahrheit konstruiert, das ist oft unklar und schwierig nachzuvollziehen – besonders dann, wenn man in Nordkorea dreht. (Jakob Thaller, 22.6.2024)