Biber am Uferrand
Ein Biber an einem Ufer im oberösterreichischen Almtal. Einst nahezu ausgerottet, erholen und vermehren sich die Bestände der Tiere im ganzen Land wieder.
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Einen Preis für besondere Anmut und Grazie gewinnt der Europäische Biber wohl nicht. Er ist dicklich, bewegt sich an Land wegen des plumpen Körpers langsam und ist zudem mit langen, orangen Schneidezähnen ausgestattet. Diese nutzt der dennoch possierliche Zeitgenosse beim Fällen von Bäumen ab, die er je nach Größe nochmal in kleinere Stücke zerlegt. Wie bei allen Nagetieren – der Biber ist deren größter Vertreter in Europa – wachsen die vorderen Beißer ein Leben lang und müssen daher nagend abgenutzt werden. Was in puncto Zahnpflege als vorbildliches Verhalten erscheint, führt jedoch oft zu heftigen Interessenkonflikten.

Mit den gefällten Stämmen riegelt der Biber kleine und größere Flussläufe ab und sorgt auf diese Weise für einen Anstieg des Wasserspiegels. So hält er einen konstanten Wasserstand um seinen Bau, für den er einen aufsteigenden Tunnel ins Ufer gräbt. Dessen Ende wird von Castor fiber – so sein lateinischer Name – zum Wohnraum vergrößert. Der Eingang liegt stets unter dem Wasserspiegel, die Kammer selbst darüber.

Grüner Job und Konfliktpotenzial

Die Dämme des Bibers können Studien zufolge helfen, Folgen des Klimawandels zu mildern und die Wasserqualität zu verbessern. Man könnte ihn als Bauherrn mit grünem, zukunftsträchtigem Job beschreiben. Denn er gilt durch seine Bautätigkeit auch als Renaturierer, der die Biodiversität bedeutend erhöhen kann. All dies könnte er freilich konfliktfreier ausführen, müsste er seinen Lebensraum nicht mit dem Menschen teilen.

Schäden durch Überschwemmungen von Feldern, Infrastruktur und Kellern im Vorland von Dämmen sind Fachleuten zufolge nicht von der Hand zu weisen – insbesondere, da sich seine Populationszahlen sehr gut entwickeln. Der Biber sei "der Wolf der Südoststeiermark", hieß es dort gar von öffentlicher Stelle. Berichten zufolge macht sich der Vegetarier in der Gegend auch über Feldfrüchte her. Für Kopfzerbrechen sorgen die Tiere etwa auch, wo sie Ufervegetation dezimieren, die der Standortsicherung dient.

Dass der Nager wahrlich kein Kostverächter ist und sich auch nicht zu schade ist, Baumrinden in Massen zu verspeisen, liegt an seinem einzigartigen Verdauungstrakt. An sich ist er nicht in der Lage, diese harte und fasrige Kost zu verdauen. Diese Aufgabe übernehmen Mikroorganismen für ihn, die als Symbionten in seinem vergrößerten Blinddarm leben.

Biber im Wasser
Der halb zu Land und halb zu Wasser lebende Biber ist ein fleißiger Gestalter der Landschaft.
APA/dpa/Patrick Pleul

Rückkehr des vermeintlichen Fischs

Dass sich die Biberbestände nun wieder so gut entwickeln und regional hitzige Debatten entfachen, liegt am umfassenden Schutz der Tiere durch Berner Konvention und EU-Recht. Dabei war der Biber bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in fast ganz Europa ausgerottet. Die römisch-katholische Kirche ordnete ihn wegen seiner Schwimmkünste und des schuppigen Schwanzes ehemals den Fischen zu, per mittelalterlichem Papstdekret durfte er daher selbst während der Fastenzeit verspeist werden.

Nachgestellt wurde dem Biber allerdings auch wegen seines Fells und einer Substanz namens Castoreum, auch Bibergeil genannt. Diese scheidet der Nager aus seiner Analdrüse zur Reviermarkierung aus. Das nach Moschus riechende Sekret galt lange Zeit als Wundermittel gegen allerlei Leiden, das teuer bezahlt wurde. Am teuersten aber wohl vom Biber selbst. (Marlene Erhart, 21.6.2024)