Die bisher ambitionierteste Mondmission Chinas dürfte geglückt sein: Dienstagfrüh MESZ erreichte die Wiedereintrittkapsel der Sonde Chang'e 6 die Erde, wie Aufnahmen zeigten. Sie landete mit ihrer kostbaren Fracht, rund zwei Kilogramm Gestein von der Rückseite des Mondes, in der Inneren Mongolei im Norden Chinas. Die Erwartungen aus der Wissenschaft sind groß, nie zuvor standen Proben von der erdabgewandten Mondseite zur Analyse zur Verfügung.

Die Rückkehrkapsel landete in der Inneren Mongolei.
Screenshot: Weibo

Mehrere Hundert Kilogramm Mondgestein brachten die Apollo-Missionen der US-Weltraumbehörde Nasa und das sowjetische Luna-Programm schon vor Jahrzehnten zur Erde. Was macht die Steine von Chang'e 6 dann so interessant? Sie könnten bisher unmögliche Einblicke in die Mondgeschichte und die Frühzeit des Sonnensystems geben. Denn die neuen Proben stammen aus dem Apollo-Krater im Südpol-Aitkenbecken. Dabei handelt es sich um den ältesten und größten Einschlagskrater auf dem Mond und einen der größten im Sonnensystem: Das Becken hat einen Durchmesser von rund 2200 Kilometern und ist mehr als zehn Kilometer tief.

Lunarer Datenschatz

Der gewaltige Einschlag ereignete sich vor 4,3 Milliarden Jahren, dabei wurde vermutlich auch die Mondkruste durchschlagen. Forschende hoffen, in den Proben der chinesischen Mission Fragmente aus dem Mondmantel zu sehen. Das könnte neue Informationen über die Entstehung des Mondes und die Frühzeit des Sonnensystems liefern. "Es gibt signifikante Unterschiede zwischen der Rück- und der Vorderseite des Mondes, etwa in Bezug auf die Dicke der Mondkruste, die vulkanische Geschichte und die geochemische Zusammensetzung", sagte Zongyu Yue von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. "Die grundlegendste wissenschaftliche Frage ist, welche Prozesse für diese Unterschiede verantwortlich sind."

Wertvolles Wrack: Die kostbare Fracht wurde bereits gesichert.
EPA/XINHUA / Lian Zhen

Der junge Mond war einst von einem tiefen Ozean aus flüssigem Magma umhüllt. Bei der Abkühlung des Magmas entstanden die heute sichtbaren Mondgesteine. Die Landestelle von Chang'e 6 auf vulkanischem Boden im Apollo-Krater könnte auch weitere Daten für die Datierung der vulkanischen Mondoberfläche liefern. Forschende hoffen auch, in den Proben Spuren kleinerer Einschläge auf dem Mond zu finden. Das könnte nicht nur dabei helfen, die Rolle von Meteoriten in der Frühzeit des Mondes besser zu verstehen, sondern auch neue Informationen über die Impaktgeschichte der Erde bringen.

Der Mondlander Chang'e 6 erreichte erst Anfang Juni die Rückseite des Mondes.
EPA/CNSA HANDOUT

Straffer Zeitplan

Die technisch äußerst herausfordernde Aktion hat keine zwei Monate gedauert. Erst am 3. Mai war Chang'e 6 vom chinesischen Weltraumbahnhof Wenchang auf Hainan ins All gestartet. Anfang Juni gelang die komplizierte Landung. Da eine direkte Kommunikation mit der erdabgewandten Seite des Mondes nicht möglich ist, hatte die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA zuvor einen eigenen Kommunikationssatelliten in eine Mondumlaufbahn gebracht. Chang'e 6 selbst bestand aus vier Komponenten: einem Lander, einer Aufstiegsstufe, einem Orbiter und einer Kapsel für die Rückkehr auf die Erde.

Der straffe Missionsablauf klappte offenbar wie vorgesehen: Die Landung Anfang Juni erfolgte autonom, mithilfe eines Bohrers und eines schaufelähnlichen Roboterarms machte sich Chang'e 6 dann sogleich an die Arbeit. Die gesammelten Gesteinsproben wurden dann verpackt und mithilfe der Aufstiegsstufe zurück in den Mondorbit gebracht. Dort dockte der Orbiter zwecks Probenübergabe an die Aufstiegsstufe an und machte sich mit dem Mondgut am 20. Juni auf den Weg zurück zur Erde, wo die Wiedereintrittskapsel abgeworfen wurde.

Die Sonde landete in einer kraterreichen Region im größten Einschlagsbecken des Mondes.
AFP/China National Space Adminis

Ambitioniertes Mondprogramm

Wie bei früheren chinesischen Mondmissionen waren auch bei Chang'e 6 Instrumente aus anderen Ländern dabei. So führt die Sonde Ausrüstung und Geräte aus Frankreich, Italien, Schweden und Pakistan mit. China will die Gesteinsproben von der Mondrückseite auch wie bei früheren Missionen Wissenschaftern anderer Länder zugänglich machen. Es handelt sich bereits um die sechste Mondmission Chinas seit 2007. Zuletzt hatte Chang'e 5 im Jahr 2020 Proben von der Vorderseite des Mondes zur Untersuchung auf die Erde gebracht. Dies gelang zuvor nur den USA und der Sowjetunion. Zudem hatte China 2019 mit Chang'e 4 erstmals einen Rover auf der Rückseite des Mondes gelandet und dort das Terrain erkundet.

China investiert Milliarden in sein ambitioniertes Raumfahrtprogramm und möchte auch auf diesem Gebiet zu den USA aufschließen. Spätestens 2030 will China eine bemannte Mission zum Mond schicken. Langfristig plant die Volksrepublik zudem den Aufbau einer Forschungsstation nahe dem Südpol des Mondes, das Projekt soll gemeinsam mit Russland und anderen Partnern erfolgen und den Mondplänen der USA Konkurrenz machen. (David Rennert, 25.6.2024)