Der Stand von BYD bei der Automesse in München.
Die europäische Präsenz des chinesischen Autobauers BYD ist augenscheinlich geworden. Er ist nur eines von mehreren chinesischen Unternehmen, die in Osteuropa investieren.
AFP/CHRISTOF STACHE

Läuft alles nach Plan, sollen schon im kommenden Jahr chinesische Autos von einer Fertigungsstraße in Ungarn rollen. BYD, der mittlerweile größte E-Auto-Bauer der Welt, errichtet derzeit ein Werk im südungarischen Szeged. Es ist nicht das einzige chinesische Unternehmen, das in Osteuropa investiert: In Debrecen, rund 200 Kilometer entfernt, will der Batteriehersteller CATL eine Produktion hochfahren.

Chinas Wirtschaft engagiert sich verstärkt in Ost- und Südosteuropa und hängt bei Greenfield-Investments – also Neugründungen auf der grünen Wiese – mittlerweile die historisch starken Geldgeber Deutschland und Österreich ab. Das lässt sich aus Zahlen ablesen, die das Wiener Institut für Wirtschaftsvergleiche (WIIW) kürzlich veröffentlicht hat.

Nur "Vorgeschmack"

Laut dem Report über Foreign Direct Investments (FDI) in Ost- und Südosteuropa lag der Wert des zugesagten Kapitals für Greenfield-Investments aus China im Jahr 2023 bei 21 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg um mehr als 100 Prozent im Vergleich zum Jahr 2022 und ein Vielfaches der Investments im Jahr 2021. Zum Vergleich: Deutschland kündigte im Jahr 2023 Investitionen von rund 13 Milliarden Euro an, Österreich Investitionen in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro.

Ein großer Teil der chinesischen Gelder fließt in Staaten wie Kasachstan und Serbien. Innerhalb der Europäischen Union ist Ungarn das Zielland Nummer eins. Laut Daten des Mercator Institute for China Studies (MERICS) landen 44 Prozent aller chinesischen Direktinvestitionen in der EU in Ungarn. Zwei Drittel der Gelder fließen in den Bereich Elektromobilität.

Die Zahlen geben "einen Vorgeschmack darauf, was uns in den nächsten Jahren blühen könnte", sagt Doris Hanzl-Weiß, Expertin für Österreichs Wirtschaftsbeziehung mit Mittel-, Ost- und Südosteuropa am WIIW. "Wenn die EU nicht gegensteuert, werden hochsubventionierte Konzerne aus China der deutschen und österreichischen Industrie in dieser Schlüsselregion mitunter den Rang ablaufen."

Besseres Wachstum

Im Vergleich zu den strauchelnden Volkswirtschaften Österreichs und Deutschlands gewinnt das Wirtschaftswachstum in Osteuropa an Fahrt. Laut der Sommerprognose des WIIW erweisen sich "vor allem die EU-Mitglieder der Region gegenüber der anhaltenden Wirtschaftsflaute in Deutschland als robust". Die Visegrád-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn sowie Slowenien dürften durchschnittlich um 2,6 Prozent wachsen. Im Jahr 2025 könnte das Wachstum dann gar auf 3,1 Prozent anziehen. Auch Kroatien und Rumänien werden 2024 mit bis zu drei Prozent stark expandieren.

Zum Vergleich: Für Österreich rechnen das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für höhere Studien (IHS) für das Jahr 2024 mit einem Wachstum von 0,2 Prozent bzw. 0,5 Prozent. In Deutschland ist die Lage recht ähnlich: Die deutsche Bundesbank geht im laufenden Jahr von einem Wachstum von 0,3 Prozent aus. Die guten Zahlen aus Osteuropa sind jedenfalls gute Nachrichten für Österreich. "Die engen wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs zu den Visegrád- und Westbalkanstaaten stützen die heimische Konjunktur und mildern so auch die momentane Schwäche Deutschlands, des mit Abstand wichtigsten Handelspartners für Österreich", sagt Hanzl-Weiß.

Sorgenkind Industrie

Haupttreiber des Wachstums in Osteuropa sind laut WIIW die stark steigenden Reallöhne. "Sie beleben den privaten Konsum, auch wenn ein nicht unerheblicher Teil der zusätzlich verfügbaren Einkommen gespart wird", erklärt WIIW-Ökonom Vasily Astrov. Das Sorgenkind ist und bleibt die Industrie, die nach wie vor in einer Rezession steckt. Grund dafür ist nicht zuletzt die enge Verbindung zwischen den Visegrád-Staaten und dem strauchelnden deutschen Industriesektor. (Jakob Pflügl, 3.7.2024)