Die Gewerkschaft wolle gegen "Tarifverhandlungen nach Gutsherrenart" protestieren, erklärten die EVG-Tarifvorstände.

Foto: imago/Ralph Peters

Berlin – Im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn will die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zum zweiten Mal den Schienenverkehr deutschlandweit lahmlegen. Am Freitag von 3 bis 11 Uhr müssten sich Reisende und Wochenendpendler wieder auf Zugausfälle und Verspätungen einstellen, erklärte die EVG am Mittwoch. Tags zuvor hatte die Gewerkschaft Verdi für Donnerstag und Freitag Arbeitsniederlegungen an den Flughäfen Düsseldorf, Köln/Bonn und Hamburg angekündigt.

"In Österreich wird der geplante Streik ebenfalls massive Auswirkungen haben – Züge von und nach Deutschland werden kurzgeführt oder fallen aus", warnten die ÖBB am Mittwoch. Betroffen seien zudem alle Zugverbindungen über das Deutsche Eck. Nachtzugverbindungen von und nach Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden seien bereits ab der Nacht von 20. April auf 21. April betroffen. Reisende sollen sich über ihre geplanten Verbindungen in der ÖBB Fahrplanauskunft Scotty, der ÖBB App oder beim ÖBB Kundenservice unter 05-1717-0 informieren.

Die Züge im Nahverkehr von, nach und über Deutschland werden kurzgeführt, so die ÖBB. In Salzburg beginnen und enden die Züge der Linie S3 Richtung Freilassing in Salzburg Liefering, die Züge der Linie S2 beginnen und enden in Salzburg Hauptbahnhof. In Oberösterreich fahren die Nahverkehrszüge Richtung Passau nur bis beziehungsweise ab Schärding. Die Nahverkehrszüge Richtung Simbach/Inn beginnen und enden in Braunau am Inn. In Vorarlberg werden die Züge Richtung Lindau-Reutin in Lochau-Hörbranz enden und in Tirol wird der Nahverkehr Richtung Mittenwald nur bis beziehungsweise ab Scharnitz geführt. Für einen Teil der kurzgeführten Verbindungen können laut ÖBB Schienenersatzverkehrsbusse zur Verfügung gestellt werden.

Im Fernverkehr kommt es während des Streikzeitraums und auch in den Stunden danach zu Änderungen bei zahlreichen Verbindungen von, nach und über Deutschland, informieren die ÖBB. Wegen planmäßig stattfindender Bauarbeiten am Deutschen Eck zwischen Salzburg und Kufstein werden die Railjet-Züge mit den Zielbahnhöfen Innsbruck, Bregenz, Zürich und Bozen in diesem Abschnitt ganztägig im Schienenersatzverkehr mit Bussen geführt. RJX-Züge von und nach München beginnen und enden in Salzburg Hauptbahnhof, die IC und ICE-Züge von und nach Passau werden bis Schärding kurzgeführt. Fernverkehrszüge aus Österreich und der Schweiz über Lindau-Reutin beginnen und enden in St. Margrethen, jene über die Tauern-Ennstal-Strecke beginnen und enden in Salzburg Hauptbahnhof und die Fernverkehrszüge über die Brenner-Strecke beginnen und enden in Kufstein beziehungsweise. Innsbruck.

Dass nun am Freitag in Deutschland zeitgleich im Luft- und Schienenverkehr gestreikt werde, sei ein Zufall, betonte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch am Mittwoch bei der Ankündigung der Aktionen. Anders als bei dem abgestimmten großangelegten Warnstreik im Verkehrssektor Ende März hätten sich beide deutschen Gewerkschaften für Freitag nicht abgesprochen. "Das haben wir nicht getan, da gibt es keine Abstimmung dieses Mal", sagte Loroch.

"Tarifverhandlungen nach Gutsherrenart"

"Wir müssen den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen, die glauben, die Forderungen ihrer Beschäftigten ignorieren zu können, und stattdessen Tarifverhandlungen nach Gutsherrenart führen wollen", erklärten die EVG-Tarifvorstände Cosima Ingenschay und Loroch. Das sei nicht akzeptabel. Zum Arbeitskampf aufgerufen seien alle EVG-Mitglieder bei der Deutschen Bahn und in den anderen rund 50 Bus- und Bahn-Unternehmen, bei denen derzeit verhandelt werde.

Offen lässt die EVG noch einen Streikaufruf an die Belegschaft beim Bahnunternehmen Transdev. Dort werden am Mittwochvormittag noch Verhandlungen geführt. In der kommenden Woche sollen die Gespräche auch bei der Deutschen Bahn weitergehen, die besonders im Fokus steht.

Forderung nach zwölf Prozent mehr Lohn

Die Gewerkschaft setzt nach eigenen Angaben "ein deutliches Zeichen, dass wir nicht die Fahrgäste, sondern die Unternehmen treffen wollen, indem wir diesmal zu einem zeitlich befristeten Warnstreik in den frühen Morgenstunden aufrufen". Zu verantworten hätten das die Arbeitgeber, die sich bislang konstruktiven Tarifverhandlungen verweigerten. "Ob dies der letzte Warnstreik in der Tarifrunde 2023 sein wird oder ob weitere folgen müssen, liegt an den Arbeitgebern", erklärten Ingenschay und Loroch.

Die Arbeitnehmervertreter fordern in den Verhandlungen mit der Branche für die Beschäftigten mindestens 650 Euro mehr pro Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen sowie eine Laufzeit von zwölf Monaten. Der Staatskonzern hatte zuletzt mitgeteilt, sich am jüngsten Schlichterspruch im Tarifstreit des öffentlichen Diensts orientieren zu wollen. Die EVG lehnte das ab.

Deutsche Bahn hält Streik für "völlig unnütz"

Der Personalvorstand der Deutschen Bahn, Martin Seiler, äußerte am Mittwoch Unverständnis über die Ankündigung. "Dieser Streik ist völlig unnütz und unnötig", teilte er mit. Am Freitag, dem reisestärksten Tag der Woche, treffe die Aktion viele Pendlerinnen und Pendler "besonders hart". Seiler verteidigte den eigenen Vorschlag, sich am Schlichter-Tarifkompromiss des öffentlichen Diensts orientieren zu wollen. "Warum sollte das, was für die 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gut ist, nicht auch für 180.000 Eisenbahner:innen gut sein?" Der Staatskonzern Deutsche Bahn hatte fünf Prozent mehr und Einmalzahlungen von bis zu 2.500 Euro angeboten. (Reuters, APA, red, 19.4.2023)